Ist denn jeder gleich ein Verschwörungsgläubiger, der zweifelt und kritische Fragen stellt? Nein. Aber wer an Verschwörungen glaubt: schon.
Nie haben wir übrigens so viel wissenschaftlich Fundiertes über diese Sichtweise erfahren können wie zurzeit, wo unwissenschaftlich unfundierte Theorien wie Pilze aus dem Boden schießen. Die RTBF hat diese Woche in ihrer Sendereihe "#Investigation" eine aufwendige Reportage dazu veröffentlicht (nachzuschauen auf Auvio). Ein Gegenstück zu der Dokumentation "Ceci n'est pas un complot" des aus Verviers stammenden Filmemachers Bernard Crutzen, dem ein ausführliches Kapitel gewidmet ist. Wie auch einer traurigen Witzfigur mit Künstlernamen "Alex Le Complotiste". Und anderen Leidensgenossen.
Die wissenschaftliche Komponente übernehmen in der RTBF-Reportage unter anderem der Lütticher Politologe Jérôme Jamin und die Brüsseler Historikerin Marie Peltier, Spezialistin für Verschwörungserzählungen und … für Propaganda in Syrien (noch so ein Thema diese Woche, aber lassen wir das). Jedenfalls ist sie regelmäßig das Ziel übelster Beschimpfungen - vor allem aus der rechten Ecke.
Ähnliches muss sich die deutsche Sozialpsychologin Pia Lamberty gefallen lassen, die wir vor ein paar Monaten zu dem Thema Verschwörungserzählungen interviewen konnten. Sie bekommt Botschaften wie: "Du Miststück, wir kriegen Dich bald, dann gnade Dir Gott!" Botschaften, die sie ernst nimmt: Wo sie wohnt, hält sie vertraulich. Und sie prüft regelmäßig, ob auch alle Türen und Fenster verschlossen sind.
So wie es Virologen hierzulande tun. Für den Fall, dass einem die Sicherungen durchknallen sollten. Jürgen Conings hat das sogar angekündigt. Und erhält dafür noch Applaus. Wird als "moderner Robin Hood" gefeiert. Als jemand, der "seine Pflicht erfüllt". Oder auch nur als "normaler Bürger" - trotz seiner rechtsextremistischen Umtriebe. Und besonders "Mutige" erklären großmäulig, dass sie ihm notfalls Unterschlupf gewähren würden ... Hier greift wieder das heuchlerische Muster: "Ich bin im Grunde gegen Gewalt, aber ..." Genau: aber. Es reicht!
Es reicht, wenn wir solche offensichtlichen Kommentare zugeschickt bekommen - und nicht veröffentlichen. Wenn wir nicht vertrauenswürdigen Quellen, die uns angegeben werden, nicht vertrauen. Wie, Gott sei Dank, auch andere nicht. Diese Woche wurde bekannt, dass dubiose Quellen sogenannten Influencern Geld anbieten, wenn sie Fake News über den Impfstoff von Pfizer/Biontech verbreiten. So sagten es aus eigener Erfahrung der französische Youtuber Léo Grasset und der deutsche Mirko Drotschmann alias MrWissen2go. Die ungeprüften Angaben sollten sie als "ihre eigene unabhängige Sichtweise" ausgeben. Die Agentur hinter dem Angebot stellte sich als Briefkastenfirma heraus, die Spuren führen nach Russland. Und stopp, das ist jetzt keine Verschwörungstheorie. Die mit dem unmoralischen Angebot Konfrontierten fragen sich ja selbst, ob die plumpe Fake-News-Kampagne am Ende ein Fake war.
Anderen kann es nicht plump genug sein, siehe QAnon mit dem angeblichen Weltenretter Donald Trump. Oder denjenigen, die erfundene und verfälschte Zitate unters Volk bringen; sich auf eine Stufe stellen mit Sophie Scholl und Anne Frank; oder die grenzenlose Dreistigkeit besitzen, den Judenstern für ihre Anti-Impfkampagne zu missbrauchen. Oder den eindeutigen Schriftzug "Arbeit macht frei". Der Gipfel an Geschichts- und Geschmacklosigkeit. Zu finden unter anderen im privaten Facebook-Konto der Person, die von Vivant in den BRF-Verwaltungsrat entsandt wird. Um es aus meiner eigenen unabhängigen Sichtweise zu sagen: Es reicht!
Stephan Pesch
Guter Kommentar.
Für mich persönlich haben Verschwörungstheorien höchstens Unterhaltungswert. Sind mal was anderes als die gewohnten Ostfriesenwitze oder die Anekdoten der Schildbürger.
Trotzdem sollte man dieses Thema ernst nehmen.
Frage : "Warum glauben Menschen diesen Nonsens ?"
Antwort : "Weil sie das Vertrauen in die Politik verloren haben. Sie glauben eher irgendwelchen obskuren Gestalten, weil die glaubwürdiger erscheinen."
Frage : "Und was kann man dagegen machen ?"
Antwort : "Ehrliche Politik betreiben, verbunden mit einer guten Kommunikation. Dann mehr Bürgerbeteiligung in Form von direkter Demokratie nach Schweizer Modell."
Wir leben in einer komplexen Zeit, was dazu führt, dass Menschen nach einfachen Antworten auf vielschichtige Problemlagen suchen, die ihnen in den alternativen Medien präsentiert werden.
Die dort verbreiteten Verschwörungserzählungen finden in sozialen Netzwerken wie Facebook, Telegram & Co. eine breite Anhängerschaft, die sich dadurch auszeichnet, sich gegenseitig zu bestärken, andere Meinungen nicht zuzulassen und seriöse Quellen wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die etablierte Presse abzulehnen.
Die Verbreitung von Fake-News ist zudem Teil von durch das Ausland gesteuerten Destabilisierungskampagnen, was die Sache zusätzlich erschwert.
Wie kann damit umgegangen werden?
Am besten, indem bereits in der Schule Medienkompetenz vermittelt wird. Dies scheint wichtiger denn je zu sein.
Für diejenigen, die sich bereits aus dem Spektrum seriöser Information verabschiedet haben, sehe ich allerdings kaum noch Hoffnung: der Versuch, kritische Positionen anzubringen, führt in der Regel ins Leere.
Ich bin so ein kleiner „Nachrichtenfreak“. Ich informiere mich bei VRT, VTM, HLN, Le Soir, RTBF, GE, Spiegel, Zeit, Focus, ARD, ZDF, …usw.
Meine Feststellung ist, dass es die offiziellen Medien sind die Fake News verbreiteten und unsere ostbelgischen Medien sind da ganz vorne mit dabei.
Meistens weil andere Meldungen einfach übernommen werden und man sich nicht die Mühe einer (kleinen) Überprüfung (Querinformation) macht und der „Journalist“ vom Thema entweder keine Ahnung hat oder bewusst falsch informiert um seine Anschauung zu verbreiten.
Übrigens: das bewusste Weglassen von (Teil)Informationen ist auch Teil der Fake-News-Verbreitung.
Treffender Kommentar, Stephan! Bravo, vor allem auch für den letzten Abschnitt!
Nein Herr Scholzen, Verschwörungstheorien entstehen nicht, weil die Politik unglaubwürdig ist, sondern weil sie das verquere Weltbild, verirrter Zeitgenossen befruchten. Aber wem sage ich das? Wer behauptet, die Entführung einer europäischen Linienmaschine mit dem Zweck eines unliebsamen Journalisten und Oppositionellen habhaft zu werden, sei „die innere Angelegenheit eines fremden Landes“, in die man sich nicht einzumischen habe und „Fakt“ sei, dass „ein belarussischer Staatsbürger in Belarus verhaftet worden sei“, fehlt offensichtlich, ein Mindestmaß an politischem Verständnis, um solche Fragen einordnen zu können.
Wie schafft es ein „Nachrichtenfreak“ zwischen Wahrheit und Fake-News zu unterscheiden und zu behaupten, dass es die offiziellen Medien sind, die Fake-News verbreiten? Indem er die resorbierten Informationen durch seine politisch rechte Brille filtert? Das haben wir längst verstanden, Herr Schumacher. Die Sichtweise der politischen Rechten haben Sie oft genug verteidigt.
Werter Herr Schumacher,
Ihrer Ansicht nach haben sich also alle von Ihnen genannten “offiziellen Medien” miteinander verbündet, um der arglosen Bevölkerung Ammenmärchen (neudeutsch: fake news) aufzutischen. Wo, frage ich Sie, liegt deren Motiv?
Oder andersrum gefragt: Wo bekomme ich objektive, über jeden Zweifel erhabene Informationen? Bei Russia today, bei QAnon, oder wenn ich als Suchbegriff “Verschwörung” eingebe? Mit Verlaub gesagt: Für Ihre Befindlichkeit muss ein Impfstoff erst noch entwickelt werden.
Man muss unterscheiden zwischen Verschwörungstheorien, Fake News und anderen Märchen auf der einen Seite und kritischer Betrachtung eines Sachverhalts auf der anderen Seite. Da ist Medienkompetenz gefragt, dh nicht sofort alles glauben,sondern recherchieren und hinterfragen, mehrere Quellen miteinander vergleichen. Ein gutes Hilfsmittel sind die sogenannten "drei Siebe des Sokrates". Eine Information überprüfen auf Wahrheit, Güte, Nützlichkeit.
Guter Kommentar, Herr Pesch. Zum letzten Abschnit: "Anderen kann es nicht plump genug sein,..."
Ja, auch im vermeintlich beschaulichen Ostbelgien treiben solche Leute ihr Unwesen.
Gerade erst schwadronierte einer auf GE.net, die Freigabe eines Impfstoffes für Jugendliche ab 12 Jahren erinnere "ein wenig" (der Betreffende ist vorsichtig und kann sich so immer noch herauswinden) an "Hitlers letztes Aufgebot, als er nicht davor zurückschreckte, die Kinder in die Schlacht zu schicken."
Und er fährt fort: " Nun will die EU ihrerseits die Kinder in die Schlacht gegen eine „Pandemie“ schicken, die eigentlich in Anbetracht der Übersterblichkeit seit Monaten besiegt ist."
Die "Pandemie" zwischen Gänsefüßchen. War da was?
@Marcel Scholzen Eimerscheid
ich frage mich nicht erst seit heute, weshalb sie dieses oben propagierte "Hilfsmittel"nicht bei ihnen selbst anwenden sondern absichtlich die Siebe "Güte" und "Nützlichkeit" bei ihren Kommentareg ständig ausser Kraft setzen.
Was treibt sie an, zu fast jedem Thema hier ihre Meinung kun zu tun. Brauchen sie diesen Kick für ihr tägliches Selbstbewusstsein oder was verbirgt sich dahinter? Ich denke, die Beantwortung (nicht nur antworten) dieser Frage könnte durchaus von allgemeinem Interesse sein.
Herr Fink.
Ich genieße mein Recht auf Meinungsfreiheit. Das ist alles.
Es steht Ihnen frei, meine Beträge zu lesen oder zu ignorieren.
Bitte bedenken Sie:
Jedes Tierchen
Hat sein Pläsirchen
Die Menschen sind verunsichert. Kein Wunder bei wandelnden Virus, das dich, sie, mich trifft, wenn ich auch nur einfach Mensch bin. Und bei dem Wirrwarr an Kommunikation, auch von oben. Empfehlen, Verordnen, Stoppen, Abweisen...
Wünsche allen vereint AUS, RAUS, Vorbei + viel Glück!
Dem Bündnis “Speak-up - Gegen Fake-News und Hetze im Netz“ reicht es schon seit geraumer Zeit. Gegründet im letzten Jahr aus einem Zusammenschluss von vielen Organisationen und Institutionen in Ostbelgien stellt es sich gegen die Verbreitung von Unwahrheiten, Halbwahrheiten und Missbrauch von Nazi-Symbolik im Internet, von bedrohlichem und aggressivem Wortgebrauch einmal ganz abgesehen. Wir würden uns freuen, wenn sich noch mehr Menschen und Organisationen unserem Bündnis anschließen würden. Gründe genug gibt es allem Anschein nach, auch in Ostbelgien. Deswegen auch ein Lob für diesen Kommentar vom BRF-Chefredakteur Stephan Pesch, der aufzeigt, dass Ostbelgien alle Augen offenhalten muss.
Tomke Lask im Namen des Bündnisses „Speak-up“
Werte Frau Lask,
Ihre Absichten in Ehren.Nur es gibt doch schon genug Gesetze und andere Regelwerke bezüglich Beleidigungen, Nötigung, Verbreitung von Unwahrheiten, Hetze, usw Da braucht man doch nicht noch zusätzlich was.Ich bin der Ansicht, dass alles was innerhalb des gesetzlichen Rahmens erlaubt ist, auch gemacht werden darf.Sehen Sie das auch so oder anders ?
Was meinen Sie mit "bedrohlichem und aggressivem Wortgebrauch" ? Das ist ein sehr schwammiger Begriff.Haben Sie eine Liste mit verbotenen Ausdrücken und Wörtern ?
Und wie definieren Sie "Unwahrheiten, Halbwahrheiten" ? Wie wollen Sie überprüfen, ob ein Sachverhalt stimmt oder nicht ? Und wer soll überprüfen.
Ich glaube, hier wird versucht eine Zensur durch die Hintertür einzuführen.
Während der Klimaproteste vor zwei Jahren wurde jeder Kritiker von Greta Thunberg als "Hater" bezeichnet und jeder kritische Kommentar gleich als "Hass". Sowas darf nicht sein.