Die frankophonen Falken machten ihre Drohung nicht wahr und ließen die Gespräche nicht platzen. Dabei hatten Philippe Moureaux und Paul Magnette deutlich und vernehmbar erklärt, verhandelt werde von Grund auf neu und nur im Paket, nicht über ein gesondertes Thema. Montag Abend kam dann die kurze Meldung, Di Rupo und de Wever haben sich verständigt auf die Einsetzung einer, wie es hieß, "High Level Group", die sich über Konturen eines neuen Finanzierungsgesetzes beugen würde.
Was heißt das? Zunächst einmal, dass De Wever im Pokerspiel erneut die bessere Karte hatte, vor allem aber, dass die frankophonen Falken davor zurückgeschreckt sind, vabanque zu spielen. Der Pokertisch also und nicht der Roulettetisch. Damit steht es 1 : 1 in der Frage, wer hat das glaubwürdigere Pokerface: Erst drohten die flämischen Falken mit der Sezession, und zogen die Drohung dann zurück, es sei doch alles nicht so gemeint gewesen. Jetzt drohten frankophone Falken mit der Sezession und machten dann doch den Schritt zurück. Das heißt aber nicht, dass die Sezessionsmodelle vom Tisch sind.
Aufgeschoben heißt nicht aufgehoben. Die zweite Erkenntnis in dieser Woche kam in der Wochenmitte: In der Fragestunde des wallonischen Parlaments erklärte Ministerpräsident Demotte, die Eupener Forderung nach einer vierten Region sei durchaus legitim und Überlegungen des Ministerpräsidenten über die Folgen möglicher Entwicklungen seien weise.
Daraus zu schlussfolgern, er sei mit beidem einverstanden, oder würde dem zustimmen, entspricht nicht der Analyse seiner Aussagen. Alle halten sich vorläufig bedeckt zurück, beziehungsweise werfen Nebelgranaten: so de Wever mit seinem Vorwurf, die Frankophonen studierten zu wenig die NS-Vergangenheit in ihren Reihen, ein Vorwurf, der zwei Tage lang von den Verhandlungen ablenkte, in den Tageszeitungen, vor allem den frankophonen.
Die nächsten Tage waren dann vor allem die flämischen Zeitungen voll von der Entscheidung der flämischen Regierung für einen Tunnel in Antwerpen und gegen die lange Brücke. Was dem Brückenbefürworter Bart de Wever die Gelegenheit gab, in die Fernsehkameras hinein zu sagen, mit dem ihm eigenen Talent für Kommunikation: "Besser die Entscheidung, als gar keine." Womit er sagen wollte: "Stimmt gar nicht, dass die flämische Regierung am belgischen Übel leide, sie könne sehr wohl Entscheidungen treffen." Weiterhin also der Boxring beziehungsweise der Pokertisch. Noch kein Roulettetisch.