Taten statt Worte. Das wird von der Kirche erwartet. Auch wenn die Skepsis groß ist, dass der Missbrauchsgipfel in konkrete Handlungen mündet. Dafür ist diese Institution wohl zu groß und schwerfällig. Dass es noch Bischöfe gibt, die nach dem Muster verfahren: "So etwas gibt es bei uns nicht", ist erschütternd, nicht nur für die Opfer von Missbrauch.
Darüber ist man in unserer kleinen ostbelgischen Gesellschaft hinweg. Dennoch bleibt das Gefühl, dass noch vieles aufzuarbeiten ist. Immerhin bringen Vertreter der Kirche auch hier den Mut auf, sich zu diesem Thema zu äußern. Die Opfer vertrauen sich, wenn überhaupt, einem Psychotherapeuten an.
Die Aufarbeitung früherer Fälle ist das eine, Missbrauch verhindern das andere. Insofern geht der 21-Punkte-Plan, den Papst Franziskus den Bischöfen und Kardinälen als Fahrplan vorgelegt hat, über das hinaus, was in anderen gesellschaftlichen Bereichen verlangt wird: Neben speziellen Ausbildungsprogrammen für Seminaristen und Ordensanwärter ist von einer psychologischen Beurteilung der Kandidaten für das Priesteramt die Rede - mit Hilfe von Experten. Oder von einem Verhaltenskodex für Kleriker, Kirchenmitarbeiter und Freiwillige, der festlegt, wie weit persönliche Beziehungen gehen dürfen. Was nicht zu unterschätzen ist, auch wenn es pädophile Neigungen nicht unterdrücken wird.
Wirkungsvoller ist die Konsequenz, dass Priester und Bischöfe, die sich des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen schuldig gemacht haben, den Dienst aufgeben – von einer weltlichen Verurteilung mal abgesehen.
Wir Medien greifen auch das kirchliche Angebot der Zusammenarbeit gerne auf, um "wahre Fälle von falschen und Anschuldigungen von Verleumdungen zu unterscheiden." Der Psychotherapeut und Theologe Manfred Lütz, der in seinem Buch "Der Skandal der Skandale" das Christentum gegen falsche Mythen in Schutz nimmt, bezeichnet den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester als "ein besonders perfides Verbrechen". Er warnt aber, ohne Übertreibung, vor einer zweiten Opfergruppe: die zu Unrecht Beschuldigten.
Die Kirche muss sich für die Fälle von Missbrauch entschuldigen, ja sie muss sich auch schämen, wie es der frühere Trierer Bischof und jetzige Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx sagt. Was außer einer möglichen Entschuldigung am Ende des Gipfels von den 21 Punkten des Papstes übrigbleibt, werden wir am Sonntag sehen. Es geht nicht nur bei Franziskus und seiner Kirche um die Glaubwürdigkeit.
Ob deswegen über kurz oder lang der Zölibat dran glauben muss, ist zumindest zweifelhaft. Ich persönlich halte zwar nicht viel davon. Die Ehelosigkeit der Priester aber als Ursache für Kindesmissbrauch zu benennen, halten auch kirchenferne Wissenschaftler für verkehrt. In der als gutes Gegenbeispiel angeführten evangelischen Kirche lagen nach Angaben einer Beratungsstelle genauso viele Missbrauchsfälle vor wie in der katholischen. Und wenn es nur an der fehlenden Triebabfuhr läge: Warum missbrauchen dann Väter ihre Töchter oder Mütter ihre Söhne?
Beim Missbrauch in der Kirche geht es wie in anderen Lebensbereichen vor allem um den Machtmissbrauch. #Metoo lässt grüßen. Ein möglicher Ansatz zur Gegenwehr liegt in der Erziehung der Kinder zu selbstbewussten jungen Menschen, die Nein sagen können, meint die Psychotherapeutin Karen Casteleyn im BRF-Interview. Diese Aufgabe könnten wir der Kirche schon mal abnehmen.
Stephan Pesch