"Ich bin dann mal offline". Schon die Aussicht, im sakrosankten Urlaub auf sonst unumgängliche Gewohnheiten verzichten zu dürfen, wirkt wie das Versprechen auf Erholung. Und sie öffnet die Augen für Dinge, die um einen herum passieren. Wie beim Frühstück am Nebentisch im Hotel. Ein etwa drei- oder vierjähriges Kind sucht nachdrücklich die Aufmerksamkeit seiner Eltern - die kriegen davon nichts mit, weil sie gerade mit ihrem Smartphone beschäftigt sind.
Natürlich sind die Dinger ungeheuer praktisch, hilfreich und meinetwegen auch in vielen Lebensbereichen inzwischen unverzichtbar. Ein nützliches Instrument. Nur müssen wir den richtigen Umgang damit lernen. Am besten von klein auf: in der Schule.
Dabei geht es nicht um das Funktionieren dieser Instrumente. Da machen schon die i-Dötzchen, wenn sie von Haus aus ein eigenes Smartphone haben dürfen, manchem Lehrer etwas vor. Es geht darum, wie wir uns durch diese Instrumente instrumentalisieren lassen - als Nutzer von Whatsapp, Facebook, Instagram oder Youtube.
In seiner lesenswerten Analyse mit dem nicht ganz ernst gemeinten Titel "Das Internet muss weg" beschreibt der Blogger Christian Brandes alias Schlecky Silberstein das, was er die "größte Verarschungsmaschine aller Zeiten" nennt. Und die Abhängigkeitsmechanismen die damit verbunden sind.
Ein bewusster Umgang damit würde voraussetzen, diese Mechanismen zu kennen und zu kontrollieren, in dem wir uns - wie im Urlaub - Offline-Zeiten zur Regeneration gönnen. Schlecky Silberstein spricht von "Bildschirm-Sabbat" oder "Digital-Detox". Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski fragt angesichts der "digitalen Bildungsrevolution", ob es nicht umgekehrt vernünftig wäre, "den digitalen Smog in den Köpfen der Schüler durch Gegenmaßnahmen zu reduzieren".
Denn den bewussten, selbstverantworteten Umgang damit kann man von der Altersgruppe bis 15, für die das neue Handy-Schulverbot in Frankreich gilt, nicht erwarten - so sieht es auch die Parlamentsmehrheit von Präsident Macron. Anderswo, zum Beispiel in Belgien, würde die Politik nicht so weit gehen. Hier entscheiden die Schulen selbst darüber, ob sie Handys und Smartphones zulassen und in welchem Maße.
Zum Teil, beklagen Lehrer oder Erziehungsverbände, seien sie aufgrund von mangelnder technischer Ausstattung sogar auf die eigenen Hilfsmittel der Schüler angewiesen. Dass Handys oder Smartphones unter gewissen Umständen sogar im Unterricht genutzt werden können, mag sein. Dass sie gerade in der Klasse aber auch der Quell für ständige Ablenkung sind, ist ebenso klar. Da bleibt es, wenn es die Schulordnung nicht vorsieht, dem Lehrer oder der Lehrerin überlassen, dem Einhalt zu gebieten - soweit sie können.
Schon um der Gerechtigkeit willen, wäre es aber hilfreich, wenn die Schüler wüssten, woran sie sich halten können. Ich bin darum für einen zeitweise verordneten Verzicht aufs Handy. Zumindest während des Unterrichts. Er würde zeigen, dass es eben auch ohne geht. Und der Schule dabei helfen, das zu vermitteln, was schon immer ihre Hauptaufgabe war: das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden; das Richtige vom Falschen. Und - besonders wichtig in dieser Lebensphase - soziales Leben in der Gruppe einzuüben... auch ohne Social Media.
Stephan Pesch