Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ... aufs Gebiss. Groß war die Aufregung um das Geschenk, mit dem die Volksrepublik China die Stadt Trier zum 200. Geburtstag ihres berühmten Sohnes bedacht hat: die fünfeinhalb Meter hohe Bronzeskulptur von Karl Marx. Und das, wo doch nach dem Fall des Sozialismus im Osten überall die Marx-Büsten und -Statuen entfernt worden waren.
Die Trierer nahmen es dennoch an, "nicht um Marx zu glorifizieren", wie es hieß. Aber er ist nun mal in Trier geboren und aufgewachsen. Und das zog bisher schon rund 50.000 chinesische Touristen im Jahr an. Ein einträgliches Geschäft, aus dem sich ordentlich Kapital schlagen lässt. Wie auch aus den jetzt eröffneten Ausstellungen. Zum Vergleich: die große Nero-Schau vor zwei Jahren spülte - hochgerechnet - rund 19 Millionen Euro in die Stadt und in das Trierer Umland.
Von solchen Dimensionen kann die lokale Geschäftswelt in Büllingen nur träumen. Immerhin hat die Gemeinde im vergangenen Jahr rund 120.000 Euro an Prämien ausgezahlt. Etwa die Hälfte dieses Betrags, so schätzt Bürgermeister Friedhelm Wirtz, dürfte den Bürgern, die ein Anrecht darauf haben, künftig in Form von Gutscheinen zukommen. Und die sind nur bei ortsansässigen Gewerbetreibenden einzulösen.
Dass die Mehrheit ihr Wahlversprechen von 2012 erst wenige Monate vor den nächsten Wahlen einlöst - geschenkt! Schließlich hat auch die Opposition sich immer ausgesprochen für lokale Wirtschaftsförderung - die nichts mit Trumps Schutzzöllen gemein hat. Einem Karl Marx könnte diese Form des Couponschneidens noch gefallen haben. Auch eine Form der lokalen Währung wie der Valeureux in Lüttich oder der Sous-rire in Malmedy und Umgebung.
Lokal handeln, global gedacht wird sowieso. Auf der hauseigenen Entwicklermesse F8 hat Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in dieser Woche angekündigt, dass es bald eine Dating-Funktion für das soziale Netzwerk geben werde. Eine Partnerbörse für diejenigen, die mehr wollen, als nur ihren Beziehungsstatus offenlegen.
Ein Ablenkungsmanöver nach den Negativschlagzeilen der letzten Zeit. Vor allem aber noch eins draufgesetzt beim unverschämten Abgreifen von privaten Daten, die wir als Gegenleistung für den vorgeblich "kostenlosen Dienst" allzu bereitwillig abtreten. Zu dem geschenkten Gaul ein Pferdefuß. Solange wir mitspielen ...
Der 200-jährige Karl Marx ist von der Geschichte überholt und widerlegt worden. Wie er sein Konzept der Entfremdung auf die Algorithmen der sozialen Medien umdenken würde, lässt sich nicht feststellen. Der umstrittene Weltveränderer rotiert in seinem Londoner Grab, seit er erfahren hat, dass er nun auch auf Tassen und als Quietscheentchen zur Ware gemacht wird!
Stephan Pesch