"Souriez, vous êtes filmés." Wer wollte, konnte am Montag live dabei sein, im Gemeinderat von Jalhay. Zum ersten Mal wurde die Sitzung des Gemeinderates direkt übertragen - auf der Website der Gemeinde, via Youtube. Es ruckelte zwar ab und an und die Draufsicht aus der Vogelperspektive war auch nicht gerade prickelnd, aber was soll's.
Vielleicht hing der politikbeflissene Bürger gleichzeitig auch am schon erprobten Live-Stream des PDG, wo es zu später Stunde um die Gemeinden ging und darum, wie sie organisiert sind: wie oft der Gemeinderat im Jahr zusammentreten muss, wie die Gemeindesteuern einzutreiben sind oder wie es um die zivilrechtliche Haftung steht ...
206 Artikel, die dafür sorgen, dass es keine Fehlinterpretationen gibt aus dem oft umständlichen Kodex der lokalen Demokratie und Dezentralisierung. Und dass in allen (deutschsprachigen) Gemeinden ein- und diesselbe Handhabe gilt.
Neu ist ein Register pro Gemeinde, in dem die Mandate und Entschädigungen der Gemeinderatsmitglieder aufgeführt sind - nachzulesen auf der Website der Gemeinde. Wegen des hohen Verwaltungsaufwands hatte das PDG vor anderthalb Jahren die Verpflichtung gekippt, dass die Ratsmitglieder diese Angaben bei der Aufsichtsbehörde hinterlegen müssen.
Neu ist, dass alle Ratsmitglieder die Protokolle des Kollegiums auf einer gesicherten Plattform im Internet nachlesen können - sie müssen dafür also nicht mehr ins Gemeindehaus. Neu ist, dass die Gemeinderatsmitglieder nur noch drei entlohnte Mandate haben dürfen und dass der Bürgermeister seinen Eid vor der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft ablegt.
Und neu ist, dass neben dem einzelnen Bürger jetzt auch juristische Personen wie Vereine oder Bürgerinitiativen im Namen der Gemeinde gerichtliche Schritte unternehmen können - falls diese sich nicht rührt. Diesen Vorschlag hatte Vivant schon früher aus Flandern entlehnt und jetzt fand er Eingang ins Dekret - ein kleiner Erfolg, den sich die Zwei-Mann-Fraktion nicht ohne Stolz ans Revers heftete.
Ansonsten schaute die Opposition in die Röhre. Das heißt: Die CSP war, wo es doch um ihre Erbhöfe in den Gemeinden ging, in diesem Fall mit der Mehrheit auf einer Linie.
Ecolo scheiterte mit dem Herzensanliegen, nach den Bürgermeistern auch die Schöffen aus dem Parlament herauszuhalten. Die Mehrheit beteuert, nicht auf die hausinterne Expertise aus den Gemeindekollegien verzichten zu wollen. Das widerspricht der Argumentation von vor zwei Jahren, dass beide Ebenen wegen möglicher Interessenkonflikte voneinander getrennt sein sollten.
Schade, dass auch der zweite Ecolo-Abänderungsvorschlag abgelehnt wurde. Dabei ging es nur darum beizubehalten, was Wallonen, Brüsseler und Flamen für gut befunden haben. Der Kodex hatte es 2012 auch den hiesigen Gemeinderäten erlaubt, ihre Vorsitzenden aus der Mitte ihrer Mitglieder zu wählen. Hier soll der Bürgermeister, der ja nun auch vom Gemeinderat gewählt wird, also de facto Chef im Ring bleiben.
In der Wallonie macht immerhin ein Viertel der Gemeinden von der Alternative Gebrauch - in Flandern, wo es die Regelung seit 2006 gibt, gilt sie inzwischen in 200 von 300 Gemeinden - mit positiven Erfahrungen. Die Gemeinderatsvorsitzenden nehmen ihren Job ausgesprochen ernst, sagte man uns beim flämischen Städte- und Gemeindeverband. Und mancher Bürgermeister ist froh, von diesen Pflichten entbunden zu sein.
Dass jemand anderer die Sitzung leitet, Wortanteile gewichtet oder am Ende sogar schlichtet, kann mancher verbissenen Diskussion das Sprengpotenzial nehmen. Und der Opposition das Gefühl geben, ernst genommen zu werden. Nicht überall wird so entspannt debattiert wie derzeit in der Gemeinde Burg-Reuland.
Wo wir beim Ernstgenommen-Werden sind: Der Vivant-Vorschlag, dass alle Gemeinderatsmitglieder an Baustellenbesichtigungen oder Abnahmen teilnehmen können, dürfte bei amtierenden Bürgermeistern und Schöffen auf wenig Gegenliebe stoßen. Dass es die gesetzliche Aufgabe des Kollegiums ist - geschenkt. Im Sinne der Öffnung wäre es ein interessanter Ansatz gewesen.
A propos Öffnung: Es kann nicht oft genug betont werden, dass jeder einzelne Bürger den Gemeinderat interpellieren darf - zu Fragen, die von allgemeinem Interesse sind und die Gemeinde betreffen. Das wäre doch eine schöne Übung in Sachen bürgernahe Politik. Nicht nur, dass die Gemeinderatssitzungen interessanter würden. Es würde dem Bürger auch wieder das Gefühl geben, dass seine Stimme auch abseits von Wahlen gehört wird. "Hörbereitschaft gegenüber dem Bürger": So steht es in Artikel 18, Paragraph 2 des neuen Dekrets.
Ein Bild von der Gemeindepolitik kann er sich ja schon machen, ob im Ratssaal oder im Internet. Übrigens: In Jalhay war für diejenigen, die den Livestream verpasst haben, die Kurzfassung des Protokolls von Montagabend schon Dienstagmorgen im Internet zu lesen.
Stephan Pesch