Erneut hatte Monsignore Léonard sein großes rhetorisches Talent aufblitzen lassen. Bei der Justiz habe man wohl zu viel im Da-Vinci-Code gelesen. Aber der Schuss ging auch nach hinten los.
Prompt prägte "De Standaard" die Schlagzeile vom "Danneels-Code" und "Knack", in Flandern vergleichbar mit "Spiegel" oder "Fokus" druckte als Titelbild einen verinnerlichten Kardinal wie gemalt, doch mit haardünnen Strichen durch das Gesicht, wie man das von alten Gemälden kennt, wenn der Firnis Risse zeigt.
Und in der Tat das Bild, wie es den Belgiern im Gedächtnis ist, von dem gutmütig blickenden und rundgesichtigen Mann, den sich die Belgier mit einer Kutte durchaus auch als einen Werbeträger für ein flämisches Abtei-Bier vorstellen konnten, es zeigt Risse. Danneels ist beschädigt, sein Amt auch, zu seinem Glück nicht während seiner Amtszeit. Doch auch die Justiz trägt Kratzer davon. Der medienträchtige Auftritt mit LKW und Bohrmaschine läßt Klischees auferstehen, die so alt sind wie das Land.
Logenbrüder, die mit der Losung "A bas la calotte - Nieder mit den Pfaffen" zu Felde zogen. Jetzt muss nicht gleich ein freisinniges Komplott vermutet werden, doch ganz frei von antiklerikaler Gesinnung dürfte die "Aktion Kelch" nicht gewesen sein, wenngleich sie der Rechtsstaatlichkeit entsprach. Missbrauch bedarf keiner Anzeige, die Staatsanwaltschaft kann
und muss selbst aktiv werden, wenn sie Hinweise erhält.
In wieweit der Einsatz von Bohrmaschine und Endoskopie-Kamera polizeilicher Dringlichkeit entsprach, dürfte demnächst Gegenstand interessanter Seminararbeiten in den Jura-Fakultäten des Landes werden. Außergewöhnlich war der Einsatz nicht: In der ersten Phase von Ermittlungen haben die Ermittler freie Hand, auch nicht gebremst von einem Anwalt. Der Europäische Gerichtshof hat diese Rechtslage -sie ist so alt wie das Land - gerügt und eine Novellierung verlangt.
Der belgische Gesetzgeber ist dem noch nicht nach gekommen, weil er sich auf keine der eingereichten Vorlagen einigen konnte: Noch ein Problem für Stefan De Clercq, der als Justizminister bereits den Kopf hin halten musste, im Dutroux-Drama, und diesmal mit einem barschen "der Zwischenfall ist erledigt" zur Tagesordnung überging. Peinlich für ihn ist zudem, dass sein
Kabinett der Kirche ausdrücklich zugestanden hatte, die Kirchen interne Kommission arbeiten zu lassen. die war übrigens nicht erst seit dem Skandal um Bischof Van Geluwe eingesetzt worden, sondern bereits nach dem Dutroux-Drama.
Nur: Bis zu Van Geluwe gab es nur 30 Meldungen, seit Van Geluwe deren fast 500: Man sollte die Kommission nicht verteufeln als kircheninterne Justiz. Sie selbst verstand sich als therapeutische Einrichtung, ihre Form ist nicht unmodern. Im Gegenteil: Das Gespräch mit Opfern und Tätern gilt vielen Rechtsgelehrten als eine fortschrittliche Form von Justiz. Dass diese Form kollidierte mit der klassischen Sicht, dass der Staat das Justizmonopol hat, war aber vorauszusehen.
Was bleibt, sind Kollateralschäden: die Komplott-Therorie, dass es den Kirchenhassern darum gegangen sei, ihr Feindbild zu erniedrigen, und die Komplott-Theorie der Legalisten, die der Kirche vorwerfen, Vertuschung betreiben zu wollen.