Was für ein Trauerspiel in der Grande Nation! In dem Fernsehduell der beiden Präsidentschaftskandidaten am Mittwoch zeigte sich deutlich, was auf die Franzosen wartet, wenn sie am Sonntag entweder Le Pen oder Macron zum neuen Präsidenten wählen: Entweder eine Präsidentin, die kein ausreichendes Programm hat, um ein Land zu regieren, oder ein Präsident, der nicht anders sein wird, als die bisherigen Präsidenten auch.
Ganz so ist es natürlich nicht, denn natürlich hat Le Pen ein Programm und ist Macron vielleicht schon ein bisschen anders als die anderen Präsidenten Frankreichs - allein, er ist schon jünger und hat zuvor noch nie eine Wahl gewonnen. Doch tendenziell ist es schon so: Die Wahl, sie findet zwischen Frankreichs Variante von Donald Trump und einer Mischung aus Sarkozy und Hollande statt.
Zunächst zu Le Pen: Wie oft wurde sie am Mittwoch von den Moderatoren gefragt, doch mal ihre Idee zu präsentieren, ihr Programm? Wie oft gab sie keine Antwort, sondern drosch dafür lieber auf Emmanuel Macron ein? Was ist das für ein kindliches Gehabe einer Frau, die den Anspruch hat, die Franzosen zu kennen, für sie zu stehen, die Nation wieder groß werden zu lassen? Nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, ihnen ihr vermeintliches Unvermögen vorhalten, ohne selbst zu sagen, wie sie es denn machen werde im Detail? Zerstören ist einfach, konstruieren schwer. Le Pen hat gezeigt, dass sie groß im Zerstören ist. Dass sie solche Größe auch im Konstruieren haben könnte, deutete sie nicht an.
Jetzt zu Macron: Ihn hätte man auch vor fünf Jahren in eine TV-Debatte setzen können. Er zeigte sich als braver Schüler der alten Schule aller Präsidenten Frankreichs. Ideen, die letztlich keiner auf ihre Machbarkeit überprüfen kann. Klares Bekenntnis zur EU, zur deutsch-französischen Freundschaft, zur wirtschaftlichen Kraft Frankreichs, dadurch auch Sorge um die Menschen, den einfachen Bürger. Das alles in einem Ton, der viel präsidialer wirkte als der seiner furiosen Widersacherin. Nun ja, meistens jedenfalls. Denn irgendwann ließ sich Macron auch in das Spiel hineinziehen, das Le Pen ihm quasi aufdiktierte. Das Spiel: Du hast aber, nein, das habe ich nicht, doch, das hast du, undsoweiter. Reiner Rechtfertigungsstreit, Kindergarten.
Deshalb auch ein Trauerspiel.
Einer der Streithähne wird am Sonntag trotzdem neuer Präsident. So haben es die Franzosen gewollt. Begeistern können sie sich für keinen so richtig. Na ja, diejenigen, die Le Pen und Macron schon im ersten Wahlgang gewählt haben, natürlich schon. Aber der Rest nicht – und das ist die Mehrheit der Wähler von vor knapp zwei Wochen.
Dabei überrascht die fehlende Unterstützung für Macron. Wie anders war das doch noch vor 15 Jahren, als Vater Jean-Marie Le Pen überraschend in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl einzog und in einem Aufschrei des Entsetzens sich fast ganz Frankreich hinter den bürgerlichen Kandidaten Jacques Chirac stellte? Ergebnis der zweiten Runde: Chirac 82 Prozent, Le Pen 18 Prozent. Ein eklatanter Sieg der Demokraten gegen die rechtsradikale Gefahr, hieß es damals.
Solche Töne sind diesmal zu selten zu hören. Obwohl für viele die Idee einer Präsidentin Marine Le Pen eine Horrorvorstellung ist. Doch zum einen gehören Le Pen und ihr Front National quasi schon zur normalen politischen Landschaft in Frankreich. Zum anderen bleibt Macron vielen irgendwie suspekt. Was will, was kann der Mann wirklich? Gut sprechen? Ja! Mitreißen? Auch! Er ist ehrgeizig und ambitioniert, hat klare politische Vorstellungen. Das alles traf auch auf Sarkozy zu - und trotzdem ist Sarkozy gescheitert.
Aber egal, wer es am Sonntag schaffen sollte: Er oder sie hat auf jeden Fall ein Interesse daran, die französische Gesellschaft wieder zu einen. Die Lustlosigkeit auf die herkömmliche Politik ist groß. Diese Lustlosigkeit umzuwandeln in Begeisterung wird der Schlüssel zum Erfolg für jeden Präsidenten sein. Le Pen will das mit "Frankreich first" erreichen. Macron mit Frankreich in der EU.
Die Franzosen haben am Sonntag die Wahl, welchen Weg sie einschlagen wollen.
Kay Wagner - Bild: Joel Saget/Eric Feferberg/AFP
Es wird zur Schicksalswahl für den europäischen Frieden - will die Mehrheit der Franzosen das ganz hässliche tiefst braune Gesicht zeigen mit allen seit 1945 für überwunden geglaubten Massenverbrechen oder entscheidet man sich für das kleinere Übel welches ein "weiter so EU" propagiert?
Ihre Sympathie haben die einst so vorbildlichen Franzosen ganz sicher bereits jetzt schon verspielt, als sie sich gegen die Sozialdemokratie entschieden haben.
Filon mag vielleicht ein Filout sein, aber was jetzt übrig bleibt lässt mir einen kalten Schauer herunter laufen. Ein Besuch in Buchenwald täte den Franzosen wahrscheinlich wirklich sehr gut. Ebenso ein Blick in die Geschichtsbücher wie ein System der absolutistischen Herrschaft des Sonnenkönigs Ludwigs in Paris einst unsanft geendet hat.
Mein zweites Beispiel gilt als Wink mit dem Zaunpfahl an die Mächtigen von Brüssel und Berlin bzw. deren Anhänger um Macron. Wären die Franzosen nur ein wenig klug gewesen wären jetzt die Gemäßigten in der Endrunde gewesen!
Sehr geehrter Herr Drescher,
Dass so viele Franzosen den FN unterstützen, liegt in der Gegenwart begründet und nicht in der Vergangenheit. Die Geschichte des Nationalsozialismus kennt man dort genau so gut wie anderswo.
Diese Wahl ist für Frankreich die letzte Chance, seine gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme im Rahmen einer Demokratie zu lösen. Ansonsten kommt es zu Rebellionen, wie so oft in der Vergangenheit, gegen die Herrschenden, die dann schließlich in einer Diktatur münden, wie so oft in der Vergangenheit. Frankreich und damit Europa stehen am Scheideweg.
Dr National Sozialismus ist scheinbar für viele noch immer oder schon wieder eine gute Lösung für alle Probleme. Traurig, Traurig.