Kann man Weihnachten nach dem Terroranschlag von Berlin überhaupt feiern? Nach all den schrecklichen Ereignissen in diesem Jahr - nach den todbringenden Anschlägen in Brüssel, Istanbul, Nizza? Nach all den entsetzlichen Kriegsgräueln und Flüchtlingsdramen mit Tausenden von Toten? Der Berliner Erzbischof Heiner Koch sagt "Ja". Weihnachten sei eine trostreiche Nacht und ein Ausdruck der Liebe für andere Menschen.
Es gebe keinen Widerspruch zum Fest der Geburt Christi. In einem Gespräch mit der Zeitung "Die Welt" hat der Erzbischof es wörtlich so formuliert: "Weihnachten ist eine Nacht der Verzweiflung, des Alleinseins, des Nicht-wertgeschätzt-Seins. In diese Nacht hinein ist Jesus gekommen." Jesus sei fern der Heimat auf der Flucht auf die Welt gekommen. Insofern sei das Weihnachtsfest eine trostreiche Nacht, denn Gott habe uns nicht alleingelassen.
Auch wer mit Kirche und Christentum wenig anzufangen vermag, wird vielleicht verstehen, dass dieser Glaube Trost und Kraft spenden kann. Zu Weihnachten sollten Freude und Liebe geschenkt werden. Wollen wir uns diesen Anspruch, unser Lebensgefühl, unsere Lebensart durch den Hass der Terroristen zerstören lassen?
Schlimm genug, dass Populisten von AfD, Pegida, aber auch aus den Reihen der Regierungspartei CSU den Terroristen in die Karten spielen. Sie instrumentalisieren den Anschlag und das Leid in geradezu unfassbarer Weise. Es seien Merkels Tote, heißt es beispielsweise von der "Alternative für Deutschland". Oder: Die Kanzlerin habe "Blut an den Händen". Und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer beeilte sich, noch bevor auch nur eine gesicherte Erkenntnis gewonnen war, eine striktere Flüchtlingspolitik zu fordern.
Richtig ist: Die meisten Menschen gehen besonnen mit den schrecklichen Geschehnissen um. Im Gegensatz zu den Botschaften des Boulevards, die mit Riesenlettern eine allgegenwärtige Angst unterstellen, ist davon im wirklichen Leben wenig zu spüren. Ja, viele sind besorgt, nachdenklich und trauern mit den Angehörigen der Opfer. Aber sie lassen sich nicht anstecken vom Virus der Verachtung und des Hasses: weder in Brüssel, noch in Nizza oder in Berlin...
Weihnachten ist der ideale Moment zu widerstehen, innezuhalten und sogar ein wenig zu feiern. Und, wie es der Berliner Erzbischof Heiner Koch sagt, Freude und Liebe zu schenken. Beispielsweise durch den Verzicht auf die mancherorts längst salonfähige Hassrede, auch "hate speech" genannt. Nicht wahr, liebe Freunde des wortgewaltigen Niedermachens in den Meinungsforen? Ist keine schlechte Idee, oder?
Frohe Weihnachten allen miteinander!
Rudi Schroeder - Foto: Achim Nelles/BRF