Haben wir nicht am Anfang alle über ihn gelacht: ein ungebildetes Großmaul, eine lächerliche Witzfigur? Bis uns das Lachen im Halse stecken blieb, als Donald Trump anfing, mit seinen aggressiven Hetz-Parolen immer mehr Anhänger auf seine Seite zu ziehen? Und jetzt: Das Undenkbare ist wahr geworden.
Am Anfang steht der Schock, die Fassungslosigkeit: Wie kann es sein, dass so viele Menschen auf einen setzen, der Ausgrenzung und Hass predigt, eine asoziale und rassistische Politik verkündet und sich wie ein pubertierender Narziss aufführt?
Dann kommt die Trauer und die Wut: Man möchte sie packen und aufrütteln, diese Wähler, und sagen: Seid Ihr durchgedreht? Wo bleibt Euer gesunder Menschenverstand? Wo bleibt Eure Vernunft? Eure Empathie für die Schwächeren?
Und schließlich die Angst und die Unsicherheit: Was steht uns bevor? Was wird dieser unberechenbare, geld-, macht- und erfolgshungrige Immobilien-Mogul anrichten?
Journalisten suchen nach Antworten und Erklärungen und sind am Ende doch ratlos. Und Politiker geben zu: Wir kennen Ihn nicht, diesen neuen Präsidenten.
Eine, die ihn kennengelernt hat ist Hillary Clinton. Auf übelste Weise ist sie von ihm attackiert und beschimpft worden. Ihre Niederlage am Ende ist bitter und sehr schmerzhaft, wie sie in ihrer Concession Speech eingesteht. Und dennoch blickt sie würdevoll nach vorn und mahnt zur Besonnenheit: "Donald Trump wird unser Präsident sein. Wir schulden ihm Unvoreingenommenheit und die Chance zum Führen", so Clinton. Die Verliererin bietet dem Sieger ihre Zusammenarbeit an " zum Wohl unseres Landes", wie sie sagt. Hillary Clinton macht es uns vor: Man muss einen kühlen Kopf bewahren, wenn man es mit einem Hitzkopf zu tun bekommt.
Wer dem politisch Unerfahrenen in den USA zur Seite stehen wird, wissen wir nicht: Auch das verstärkt die Unsicherheit. Wird er sich Geschäftsleute ins Kabinett holen – so eiskalt und berechnend wie er, dem die Eltern eingeprägt haben: Du wirst nur geliebt, wenn Du auf der Gewinnerseite bist? Oder werden Pragmatismus und Vernunft siegen und er greift auf erfahrene Politiker zurück?
Politologen versuchen, sich und uns zu beruhigen: Trump kann ja nicht alleine herrschen. Es gibt demokratische Spielregeln, an die er sich halten muss. Und: Seine republikanischen Parteigenossen werden ihm jetzt gewaltig auf die Finger schauen und ihn bremsen. Hoffentlich.
Und die Bürger? Die Wähler? Die Trump-Gegner lassen ihrer Wut jetzt freien Lauf und gehen auf die Straße, damit jeder weiß: Dieser Demagoge und Profiteur ist nicht unser Präsident – egal was Hillary sagt. Trumps Anhänger dagegen feiern ihn als Heilsbringer und sind stolz: Endlich einer, der sie ernst nimmt, der ihnen verspricht, dass sie, die Vergessenen, nie wieder vergessen sein werden, dass sie wieder Arbeit bekommen, dass „America first“ und damit auch sie wieder an erster Stelle stehen werden... Dass er ihre Sorgen und ihren Frust ausgenutzt hat, um selbst ganz nach oben zu kommen, werden sie nicht hören wollen.
Und er, Trump? Wird er all das wahr machen, was er angekündigt oder besser gesagt angedroht hat: die Mauer zu Mexiko bauen, illegal eingereiste Migranten deportieren, Muslimen die Einreise verbieten, für den NATO-Schutz zur Kasse bitten, Klimaschutz und Freihandel verabschieden ...
Oder wird das Amt ihn verändern, wie Präsidenten vor ihm es schon erleben mussten? Bei seinem ersten Auftritt nach der Wahl hatte man schon den Eindruck: Da kommt ein anderer Trump rein, einer, der sehr überraschend menschliche Züge zeigt: Seine Siegesrede beginnt er mit einer Dank- und Lobeshymne auf Secretary Hillary und lässt einen Aufruf zur Versöhnung und Einheit folgen. "Ich werde ein Präsident für alle Amerikaner sein", verkündete Trump, und der Welt versprach er, Gemeinsamkeit zu suchen, keine Feindschaft, Partnerschaft, keinen Konflikt. Man kann nur hoffen, dass er das ernst meint.
Michaela Brück - Foto: BRF