Früher hieß es mal: "Ein Gespenst geht durch Europa". Heute haben wir es eher mit einem gespenstigen Maskenball zu tun. Nur, dass man dem Widersacher das Kostüm schenkt. "Totengräber der Demokratie, entfesselte Kapitalisten und ein Mummenschanz der holen Versprechungen", rufen die Einen. "Was für widerspenstige Wallonen, finsterer Kuba-Kommunismus 2.0 und clowneske Kleinstaaterei", schimpfen die Anderen.
Ceta: 'Das Ende der Freiheit' versus 'Wohlstand ohne Ende'. Willkommen im Halloween der Globalisierung.
Nüchtern betrachtet, lässt eine Vertragsunterzeichnung auf sich warten, die schon vor sieben Jahren anvisiert wurde. Im europäischen Kontext sorgt das mal wieder für Ärger. Amerikaner und Chinesen lachen sich schlapp. Der Spruch "Wen rufe ich denn an, wenn ich Europa anrufen will?" gilt noch immer. Diesmal ist es eine Konferenzschaltung mit Namur.
Noch Geschichtsbewusstere denken an das Bonmot um den Wiener Kongress vor 200 Jahren: "Le congrès danse beaucoup, mais il ne marche pas." Zu deutsch: "Der Kongress tanzt, aber er kommt nicht weiter." Soweit zu der Schwerfälligkeit der Verhandlungen damals wie heute.
Machen wir uns nichts vor. Im europäischen Motor ist mächtig Sand im Getriebe. Und nicht erst seit den Flüchtlingsquoten und dem Brexit. Das einst gefeierte Friedensprojekt Europa steht unter Druck. Schon lange herrscht Unzufriedenheit über die mangelnde Einigkeit. Und ausgerechnet jetzt legt sich auch noch ein Gründungsmitglied der Europäischen Union quer.
Europa dreht wie in einer Polonäse im Kreis und gerät immer dann ins Straucheln, wenn plötzlich ein Mitglied ausschert. Jetzt gerade entdeckt ganz Europa das belgische Labyrinth, in dem die Regionalparlamente so viel Macht haben, wie die Staatsreformen ihnen gegeben haben. Staatsreformen, die die Flamen mitgetragen und mit forciert haben.
Schuldzuweisungen helfen aber nicht weiter. Auch nicht das Argument, dass einer nicht "Nein" sagen darf, wenn 27 "Ja" sagen. Warum gibt es denn Parlamente, wenn diese nicht "Nein" sagen dürfen? Eine Reflexion über das Selbstverständnis der Institution EU samt ihrer Staaten, ist aber nicht nur in Belgien angebracht.
Wie sollen sich Menschen dem europäischen Projekt verbunden fühlen, das jahrzehntelang von zahlreichen Politikern als Bürokratenbehörde mit demokratischem Defizit verschrien wurde? Vor allem dann, wenn es bequem war, der EU den schwarzen Peter zuzuschieben. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen glauben, dass Politiker nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems sind. Man erntet, was man sät.
Runter mit den Masken. Schluss mit dem Versteckspiel! Die Herausforderung lautet, Europa auf gesunde Beine zu stellen. Ein Europa, in dem sich alle Nationen geborgen fühlen können und keine zur Geisel der anderen wird.
Europa braucht dringend selbst einen neuen Vertrag. Ein Vertrag, um handlungsfähig zu bleiben. Zeit also zu handeln! Zugegeben: Keine leichte Aufgabe.
Manuel Zimmermann - Achim Nelles/BRF