Der Wirt agiert im Verborgenen. Nicht mal sein Name ist geläufig. Und wenn er fällt, klingt er ganz harmlos: Eurostat. Dabei ist es ein Name für ein europäisches Superministerium für Finanzen, Wirtschaft, Investitionen, Gesundheit und Soziales. Was? Das gibt's doch nicht! Der Unglaube ist verständlich, jammern doch nicht nur Schulz und Juncker gebetsmühlenartig, man brauche ein EU-Wirtschaftsministerium.
Auf ganz leisen Sohlen, nahezu unbemerkt, ist das große Superministerium installiert worden. Man kennt kaum den Namen, und noch weniger die Personen dahinter, die Wirte also, ohne die keine Rechnung gemacht werden kann. Als der Stabilitäts- und Wachstumspakt - auch bekannt als Six-Pack - gekoppelt mit einer Schuldenbremse verordnet wurde, ist Eurostat mit der Umsetzung betraut worden, und schwuppdiwupp war das Superministerium installiert.
Dieses wiederum kleidete die Umsetzung in eine Zwangsjacke, die "Europäisches System volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung" heißt, abgekürzt ESVG, auch ESA oder SEC. SEC ist die Norm, die das Dogma umsetzt, erst recht, wenn 2018 die Schuldenbremse greift und die Schulden von etwa Gemeinschaft und Gemeinden kumuliert. Die Größe der Gruppe, in der kumuliert werden muss, legt besagtes Eurostat fest.
Man könnte auch statt "Schulden" Verbindlichkeiten sagen, ein weniger religiös behafteter Begriff, vielmehr ein nüchtern-wirtschaftlicher. Eine starke, florierende Firma hat kein Problem mit Verbindlichkeiten.
Über die Investitionskapazität bestimmt, keine Überraschung, Eurostat. Auch nach 2018, wenn dies fast nur noch über privat-öffentliche Partnerschaft (PPP) gehen wird. Womit Eurostat definitiv zum Industrieministerium wird.
Der Finanzminister der Hegemonialmacht in Europa, Wolfgang Schäuble, prahlt schon jetzt mit der "schwarzen Null", obwohl er sie nicht nach der SEC-Norm berechnet, seine Kommunen mit kaputten Brücken und überforderten Kitas lässt er außen vor. Investieren tut er trotzdem nicht, trotz zinslosem Geld.
Derweil ereifern wir Europäer uns über Donald Trump oder Hillary Clinton, und verlieren kein Wort über den Wirt, ohne den in Europa keine Rechnung gemacht wird. Ist ja auch soviel unterhaltsamer.
Frederik Schunck