Karl-Heinz Lambertz hat Recht, wenn er bilanziert, dass die Kooperation mit Deutschland und anderen deutschsprachigen Ländern eine zusätzliche Dimension erhält. War sie zuvor durch die außenpolitische Befugnis von Gemeinschaften und Regionen möglich, wird sie durch die internationale Verbindung weiter abgesichert. Hinzu kommt, dass die Initiative König Philipps die DG auf die große Landkarte gesetzt hat. Philipp profiliert sich seinerseits als ein ausgesprochen föderal denkender Staatschef. Lambertz hat auch Recht, wenn er darauf hinweist, dass auch die 99,7 Prozent der anderen Belgier etwas davon hätten.
Diese Perspektive knüpft an eine historische Wirklichkeit an: die deutsche Sprache gehört zu Belgien seit der Staatsgründung. Davon zeugt nicht nur Gottfried Kurth aus dem Arelerland, nach dem Historiker ist in Lüttich der Boulevard Godefroid Kurth benannt. In seiner Heimatstadt engagierte sich Kurth im "Deutschen Verein", bis er sich 1914 "wie von einer Mutter verstoßen" fühlte. Im Aubeler Land wurde mit der "Fliegenden Taube" eine Zeitung in deutscher Sprache gedruckt, noch bevor es in Preußen die Malmedyer-St. Vither Zeitung gab.
Denn erst der Erste Weltkrieg, dessen tiefgreifende und zahlreichen Folgen durch den 100. Jahrestag endlich eine neue Aufmerksamkeit erhielten, zerstörten die starken Bindungen zwischen den akademischen und wirtschaftlichen Kreisen in Belgien und in Deutschland.
Die Parade von amerikanischen Uniformträgern und Militärfahrzeugen in Eupen, am Vortag des Gipfels, erinnerte in dieser Woche daran, dass für Ostbelgier das Leben vor und nach 1945 alles andere als krampflos war.
Es dauerte lange, bis in die 1970er Jahre, bis nicht zuletzt der BRF-Vorläufer BHF die Begriff "grenzüberschreitend" und "euregional" medial implementierte, und damit Raum für entkrampftes Denken schaffte, als eine noch embryonale Euregio dafür den Rahmen bot.
Förderlich war der Entwicklung, dass diese in der goldenen Aufbruchszeit stattgefunden hat, als die institutionelle Basis des Europagedankens noch nicht unter Beschuss stand. Eines der Themen, über das sich der Gipfel in Eupen folgerichtig ausgetauscht hat.
Frederik Schunck - Foto: Achim Nelles/BRF