Die Medien müssen berichten, das ist ihr Auftrag - nicht nur der öffentlich-rechtlichen. Sie müssen informieren und einordnen: gründlich, wahrheitsgetreu, umfassend, schnell.
Schnell? Vor allem hier liegt der Hase im Pfeffer. Der Amoklauf in München hat gezeigt, wie selbst erfahrene Journalisten unter dem Zwang möglichst aktueller, direkter Berichterstattung scheitern können. Eigentlich wussten Reporter und Moderatoren über Stunden fast nichts über das wirkliche Geschehen. Es gab zuhauf auf nahezu allen Kanälen Sondersendungen, die von Spekulationen lebten. Terrorismusexperten wurden aufgeboten, die, wie sich später herausstellte, besser geschwiegen hätten. Denn es war kein Terroranschlag, sondern der Amoklauf eines offensichtlich Wahnsinnigen mit rechtsradikalem Gedankengut.
Thomas Assheuer, Redakteur bei der Wochenzeitung "Die Zeit", hat es so formuliert: "Die Angst vor Anschlägen haust in den Köpfen, kriecht durch Vorstellungen und kommandiert die Erwartung. Sobald ein neuer Gewaltakt bekannt wird, ist der Gedanke an einen islamistischen Anschlag der erste."
Das psychologische Kalkül des Selbstmord-Terrorismus ist also aufgegangen. Viele Medien haben in diesem Fall das Geschäft der Terroristen gemacht. Und das wird sich leider noch häufiger wiederholen.
Wie ist dieser Gefahr zu begegnen? Ein Antwortversuch: Schnelle Berichterstattung darf nicht die Maxime sein. Was nicht recherchiert, nicht gegengecheckt und noch spekulativ ist, sollte nicht als Information verkauft werden. Nicht angehen kann es, dass die professionellen Medien, sich - mangels anderer Quellen - auf das beziehen, was an Unwahrheiten und Halbwahrheiten in den sozialen Medien kursiert. Es geht also um die Qualität und damit vorrangig um die Richtigkeit journalistischer Erzeugnisse. Auch und gerade beim Thema Terrorismus.
Es geht aber auch um die Quantität und die Form. Darf es noch ein bisschen mehr sein? Mehr Sensationen, mehr Blut, mehr Grausamkeiten, mehr Schrecken? Mehrere Zeitungen, unter anderem "Le Monde", haben sich entschieden, keine Fotos von Terroristen mehr zu veröffentlichen. Um sie nicht auch noch zu glorifizieren, indem man ihnen eine weitere Bühne gibt. Eine Entscheidung, die man begrüßen kann. Gleichwohl ist die Frage erlaubt, ob Fahndungsfotos nicht doch mitunter vonnöten sind, um die Chancen auf einen Fahndungserfolg zu erhöhen.
Wie viele Details muten die Medien ihren Nutzern zu? Verbale und bildliche Darstellungen barbarischer Gewalt mögen Klicks generieren und die Auflagenzahlen in die Höhe schnellen lassen. Doch die Sensationsmache erzeugt vor allem noch mehr angstgeleitete Hysterie und dient damit den Zielen des islamistischen Terrors. Der setzt darauf, ein Klima der Verunsicherung zu schaffen, in dem sich jeder auf der Flucht wähnt.
Ja, wir müssen über Terror berichten, einordnen, kommentieren. Allerdings sind diesem Auftrag Grenzen gesetzt. Andere Aufträge setzen diese Grenzen. Wer die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ihrer Werte ernst nimmt, sollte sich bewusst machen, wie wichtig es ist, die anderen Bereiche unseres Lebens auch in der Berichterstattung nicht zu vernachlässigen: die Kultur, den Sport, das soziale Miteinander...
Wir dürfen nicht zulassen, dass der Terror uns in unseren Fantasien, unserer Unternehmungslust und unserem Zukunftsstreben lähmt. Daran mitzuwirken ist auch ein Medienauftrag!
Jene, die den Medien pauschal vorwerfen, Handlanger des Terrorismus zu sein, sei gesagt: Oft schimpfen die am lautesten über "die Medien", die selbst vor keiner Verunglimpfung und Pauschalisierung zurückschrecken. Da toben Hass und Intoleranz im Netz, dass es einem den Atem verschlägt. Und nicht selten glauben Regierungen, dem mit autoritärem Gehabe und gnadenlosen Restriktionen folgen zu müssen. Schützen wir uns vor diesem Wahn! Freie, mutige, selbstkritische Medien sollten auch dazu ihren Beitrag leisten.
Rudi Schroeder - Bild: Achim Nelles/BRF