Aller guten Dinge sind drei: Nach 2009 und 2013 steht diese Traviata-Produktion von Stefano Mazzonis nun zum dritten Mal auf dem Spielplan der Königlichen Oper der Wallonie. Wie sagt Mazzonis: eine Bohème, eine Traviata oder Carmen kannst du alle paar Jahre anbieten. Das Publikum wird sich jedes Mal darüber freuen. Wohl wahr. Denn diese drei Opern, und noch einige weitere, sind mit solch herrlichen Melodien gesegnet, dass man sich immer wieder daran erfreut. Zumal wenn auf so hohem Niveau wie auch diesmal wieder in Lüttich gesungen wird. Und darin liegt auch der Reiz solcher Wiederaufnahmen.
Mazzonis versteht es meist, eine sehr gute und kohärente Besetzung zusammen zu stellen. Wegen der zahlreichen Vorstellungen muss er für die drei Hauptpartien gleich eine Doppelbesetzung vorsehen. Auch wenn ich selber nur die Premierenbesetzung gesehen habe, denke ich, dass die zweite ebenso den Ansprüchen genügt.
Da wäre zunächst die junge rumänische Sopranistin Mirela Gradinaru in der Titelpartie zu erwähnen, die erstmals in Lüttich zu hören ist. Im ersten Akt ist ihr Tremolo noch etwas übertrieben, was vor allem bei der berühmten Sempre Libera Arie unangenehm wirkt, aber in den beiden nachfolgenden Akten überzeugt sie mit ihrem lyrischen Sopran. Für die Partie des Vater Germont ist mit Mario Cassi ein Bariton zu hören, der schon öfters in Lüttich gastierte.
Die Entdeckung des Abends ist aber zweifelsohne der spanische Tenor Javier Tomé Fernandez. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit beherrscht er die anspruchsvolle Partie des Alfredo Germont. Sei es in der Höhe oder in der Mittellage: Seine Stimme ist immer klangschön und von einer Wärme, die an die großen Interpreten dieser Rolle denken lässt. Schon rein physisch ist der Vergleich mit einem Rolando Villazon angebracht. Von Tomé Fernandez wird man gewiss noch viel hören.
Im Vergleich zur Produktion im Jahre 2009 muss man diesmal aber beim Orchester einige Abstriche machen. Rein spieltechnisch gibt es keinen Anlass zur Kritik, aber der Dirigent der aktuellen Produktion, Francesco Cilluffo, kann bei weitem nicht mit der Interpretation von Paolo Arrivabeni mithalten. Bei Arrivabeni ist auch Dramatik im Orchestergraben zu spüren, davon war diesmal zumindest am Premierenabend noch nichts zu hören.
Die Inszenierung ist natürlich die gleiche wie 2009 und 2013, also ein typischer Mazzonis. Stefano Mazzonis Personenführung ist nicht immer sehr originell, sondern, und da sind die Sänger ihm wahrscheinlich sehr dankbar, ganz auf Saal und Publikum ausgerichtet. Schade, denn die Grundidee von Mazzonis Inszenierung ist sehr gut durchdacht: Gleich zum Auftakt schauen wir durch ein Schlüsselloch, wir sind selber, wie auch die Gesellschaft, die Violetta umgibt, Voyeure, die das Schicksal der Kurtisane beobachten.
Violetta, die am Ende bekanntlich an den Folgen ihrer Tuberkulose-Erkrankung, aber wohl auch an gebrochenem Herzen stirbt. Vater Germont wollte ja nicht, dass sein Sohn Alfredo durch die Liaison mit dieser Kurtisane den guten Namen der Familie in Verruf bringt. Da kommt sein Einlenken am Ende auch zu spät. Ein Konstante der Inszenierung und eine treffende Idee ist die Präsenz von drei Betten unterschiedlicher Größe auf der Bühne und deren ständiger Wechsel. Zuletzt bleibt zwangsläufig das Sterbebett.
Bis kommenden Sonntag wird La Traviata täglich in der Lütticher Oper zu sehen sein.
Hans Reul - Bild: Lorraine Wauters/ORW