Vor fünf Jahren, im Oktober 2010 war diese "Zauberflöte" die erste Operninszenierung zweier junger Künstler, die aus der Schule des legendären Pantomimen Marcel Marceau hervorgegangen waren: Cecile Roussat und Julien Libek. Und ihnen gelang gleich ein kleiner Geniestreich.
Der Dirigent Patrick Davin hatte damals Lüttichs Operndirektor Stefano Mazzonis auf die beiden Talente aufmerksam gemacht und Mazzonis zögerte, nachdem er eine Theater-Produktion der beiden in Versailles gesehen hatte, nicht eine Minute ihnen die Zauberflöte anzuvertrauen. Und er hatte recht: Roussat und Libek glückte eine bilderreiche Inszenierung, die das Märchenhafte des Werks durchgehend unterstreicht.
Dass dabei der philosophische Tiefgang, der der „Zauberflöte“ auch innewohnt, nicht so deutlich in den Vordergrund gerückt wird, ist gar nicht als Nachteil zu werten. Zumal es sich ja diesmal sogar um die Jahresendproduktion handelt, der ein märchenhafter Aspekt gut zu Gesicht steht.
Wie wir in unserer Besprechung vor fünf Jahren schon unterstrichen, bevölkern Traumfiguren die Bühne, Akrobaten und Seiltänzer tummeln sich hier, das spielerisch Leichte wird betont, auch in den Bühnenbildern: Die herrliche Bibliothek des Sarastro oder auch ein überdimensioniertes Nachschlagewerk als Symbol der Weisheit und Klugheit, die Tamino und Papageno bei den Prüfungen unter Beweis stellen sollen.
Diese Zauberflöte ist ein wahres visuelles Festvergnügen. Dies ist umso deutlicher zu spüren, wenn man den Anfang der Aufführung nur auf dem Bildschirm im Foyer verfolgen kann und nicht im Saal selber. So ist es mir ergangen. Aufgrund des Weihnachtsmarktes in Lüttich war die Verkehrs- und vor allem die Parksituation chaotisch. Zum Glück haben Roussat und Libek nichts an ihrer Inszenierung geändert, so dass auch auf der kleinen Leinwand die Bilder sofort wieder präsent waren.
Diesmal dirigiert Paolo Arrivabeni die Aufführungsreihe. Er hat uns in den letzten Jahren immer wieder vor allem im italienischen Repertoire begeistert. Es ist seine erste "Zauberflöte". Lag es an den von ihm gewählten sehr zügigen Tempi oder am Orchester: Der Mozart'sche Zauber wollte sich nicht immer einstellen. Auch waren einige deutlich spürbare Patzer, vor allem im Blech nicht zu überhören. Das kann sich aber in den nachfolgenden Vorstellungen gewiss bessern.
Stefano Mazzonis hat auch diesmal vornehmlich französische und italienische Solisten engagiert. Da muss man bei der Diktion der gesprochenen Dialoge schon ab und zu ein wenig schmunzeln. Auch bei Anne-Catherine Gillet ist dies der Fall. Sie singt ihre erste Pamina und zeigt, dass sie ein wunderbarer lyrischer Sopran ist. Aber ich sehe sie weiterhin eher im Belcanto und im großen romantischen Repertoire als bei Mozart. Unter den Solisten ist vor allem Burcu Uyar hervorzuheben mit ihrer grandiosen Interpretation der Koloraturarie "Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen" der Königin der Nacht.
Bis zum 5. Januar steht die „Zauberflöte“ auf dem Spielplan der Lütticher Oper. Abgesehen vom Silvesterabend sind alle Vorstellungen restlos ausverkauft. Freuen dürfen wir uns aber schon darauf, dass Cecile Roussat und Julien Libek in der kommenden Spielzeit mit „Dido und Aeneas“ von Henry Purcell nach Lüttich zurückkommen werden.
Hans Reul - Foto: Lorraine Wauters/Königliche Oper der Wallonie