Cliff Richard ist einer dieser Sänger, die jeder kennt, aber kaum jemand mögen mag. Jedenfalls nicht öffentlich. Das Zahnpastalächeln und die sonnengebräunte Haut passen zum soften Sound. Auf seinem Kalender für dieses Jahr - er bringt jedes Jahr einen heraus - watet der Brite in einem weißen Anzug durch von der Abendsonne vergoldetes Wasser, in der Hand einen rosa Perlwein. Man mag davon halten, was man will, Richard ist jedenfalls einer der erfolgreichsten Musiker, die das Vereinigte Königreich je hervorgebracht hat. An diesem Mittwoch (14.10.) wird er 75 Jahre alt.
Angefangen hat seine Karriere in den späten 1950ern als eine Art musikalisches Elvis-Presley-Imitat mit hellerer Stimme. Die passte viel besser zu den weicheren Tönen, für die er sich bald entschied. 1968 trat er mit dem fröhlich-leichten Schlager "Congratulations" beim Grand Prix Eurovision (heute Eurovision Song Contest) an und landete mit nur einem Punkt Rückstand auf Platz zwei.
"Living Doll" war sein erster Nummer-Eins-Hit in der britischen Heimat, 13 weitere folgten. Im November 2013 brachte Richard, der als Harry Rodger Webb in Indien zur Welt gekommen war, sein 100. Album heraus. Pünktlich kurz vor dem Geburtstag folgte das 101.: "75 at 75" enthält, klar, 75 Lieder, 74 alte und ein neues. Auch wenn nur gut ein Drittel der Platten echte Studioalben sind, Faulheit kann man dem Mann kaum vorwerfen.
Wenn er nicht im Studio steht, seine jährliche Sommerpause auf seinem Weingut in Portugal macht oder in seiner Zweitheimat Barbados entspannt, dann ist der Sänger oft auf Tournee - gerade auf offizieller Geburtstagstour durch Großbritannien. An seinem Ehrentag selbst wird Richard eines von sechs Konzerten in der Londoner Royal Albert Hall spielen. "Normal versuche ich, an meinem Geburtstag kein Konzert zu geben, aber diesmal dachte ich, was soll's, ich bin 75", sagte er im August der BBC.
Der Abend ist seit Wochen ausverkauft. Dass auch in seiner Heimat gern mal gespottet wird über den Schnulzen singenden Tennisfan, bedeutet nicht, dass er nicht eine riesige und treue Fangemeinde hat. 250 Millionen verkaufte Platten weltweit sprechen für sich. Es dürfte also ein bisschen Koketterie dabei gewesen sein, als Richard sagte: "Mit jedem Jahr, das vergeht, frage ich mich immer noch, ob überhaupt jemand kommt."
Weitere Interviews werde der Star "die nächsten 15 Monate" nicht geben, sagt sein Sprecher. Überhaupt hat Richard wenig mit den Medien gesprochen, seit die BBC eine Hausdurchsuchung bei ihm quasi live vom Hubschrauber aus übertragen hat - der Sender wusste offenbar vorab Bescheid. Die Geschichte führte dazu, dass Richard sich erstmals seit 20 Jahren nicht beim Tennisturnier in Wimbledon blicken ließ.
Dort hatte er 1996 einen seiner berühmtesten Auftritte, als er bei Regenwetter zum Mikrofon griff, das schlecht gelaunte Publikum musikalisch unterhielt und zum Mitsingen animierte. In besonderer Erinnerung dürfte dem Entertainer auch das Konzert 2012 im Buckingham-Palast sein, wo er zum 60. Thronjubiläum für Queen Elizabeth II. sang. Sie hatte ihn 1995 mit der Ritterwürde bedacht.
So sehr Cliff Richard seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit steht, so wenig ist über sein Privatleben bekannt. Als junger Mann entdeckte er den christlichen Glauben für sich, predigte in Kirchen und Schulen und spendete viel Geld für gute Zwecke. Um sein Auskommen muss sich der nun 75-Jährige wohl trotzdem keine Sorgen machen: Allein seine jährlichen Kalender verkauften sich insgesamt mehr als 1,5 Millionen mal.
Von Teresa Dapp, dpa - Archivbild: Solum Stian Lysberg (epa)