Von wegen Beziehungs-Aus: Die drei Herren von A-ha, Norwegens größter Pop-Export aller Zeiten, haben sich nach fünf Jahren Trennung doch wieder zusammengerauft. Nicht allzu lange ist es her, da betrauerten Fans rund um den Globus noch das Ende des Erfolgstrios, das sich mit Gassenhauern wie "Take on Me" oder "Cry Wolf" schon in den 80ern in Europas Musikgeschichte verewigt hatte. Aber der vom Teenie-Schwarm zum anspruchsvollen Songwriter gereifte Frontmann Morten Harket hat nun mit den Mitstreitern Magne Furuholmen und Pål Waaktaar-Savoy ein neues Studioprojekt gestemmt.
Drei Jahrzehnte ganz vorn dabei, dann ein lautes Finale mit viel Tamtam, jetzt die überraschende Wiedervereinigung - ist das bloß kaltes Marketing-Kalkül oder doch heiße Musik-Leidenschaft?
"2010 haben wir klar angekündigt: Wir hören auf", räumt Harket im dpa-Interview ein. Hinterher sei man indes immer klüger: "Pause statt Ende wäre der bessere Begriff gewesen." Letztlich komme es auf die Qualität des frischen Materials an. "Hört euch das Album an und entscheidet, ob es ein hinreichender Grund für unsere Rückkehr ist."
Was auch immer die Motive hinter dem Neubeginn sind: Die Herzen vieler Fans dürften höherschlagen, wenn die Platte "Cast in Steel" am 4. September in Deutschland erscheint. Denn die Band ist auch bei vielen Hörern, die nicht unbedingt auf Herzschmerz-Balladen oder Radio-Schnulzen stehen, inzwischen längst respektiert.
Die A-ha-typischen, sphärischen Synthie- und Streicher-Töne - blauer Himmel, fahle Sonne, nordische Kühle - sowie nachdenkliche Passagen wechseln einander ab. Entspannte Pophymnen und etwas Elektro-Retro runden den Sound ab. Im Schluss-Song "Goodbye Thompson" verarbeitet Waaktaar-Savoy den Abschied aus der geliebten New Yorker Wohnstraße.
Nordland-Pop wurde der spezielle Stilmix von A-ha oft genannt. Die Band ließ sich aber auch von Genres wie Brit-Pop, Rock oder populärer Klassik beeinflussen. Umgekehrt betont sie gern ihre Ausstrahlung auf andere Gruppen, die man beim ersten Hinhören nicht mit A-ha verbinden würde: Alternativ-Experimentalisten wie Radiohead oder Weltstars wie Coldplay. Mit dem Coldplay-Bassisten Guy Berryman betreibt Keyboarder Furuholmen auch das Gemeinschaftsprojekt Apparatjik.
Es war ein weiter Weg. Nach dem durchschlagenden Debüt "Hunting High and Low" (1985) dümpelten die Norweger Anfang der 90er ein wenig vor sich hin, 1994 kam die erste Trennung. Man habe sich missverstanden und in eine bestimmte Ecke gedrängt gefühlt, erzählt Furuholmen - der auch bildender Künstler und Filmmusik-Komponist ist - über jene Zeit. "Minor Earth Major Sky" markierte 2000 dann die Renaissance, die CD eroberte Platz eins der deutschen Charts. Es folgten "Lifelines" (2002) und das durchwachsen aufgenommene, rockige "Analogue" (2005).
Ursprünglich sollte "Foot of the Mountain" (2009) den Schlussakkord setzen; eilig wurden Abschiedskonzerte, eine Best-of-Platte und ein Live-Album nachgeschoben. Natürlich wird jetzt auch das neue Werk mit einer eigenen Tour unters Volk gebracht: Ende September geht es in Rio de Janeiro los, 2016 sind zahlreiche Stationen in Deutschland geplant. Die Aufregung war groß, als A-ha bei einem Pressetermin in der norwegischen Botschaft in Berlin im März Fans und Kritiker mit ihrer Rückkehr verdutzten. Also alles wieder auf Null?
Ein Schelm, wer geschickte Selbstvermarktung dahinter vermutet. "Für mich war 2010 durchaus das Ende von etwas", versichert Furuholmen. "Aber nun steht die Musik an erster Stelle." Harket sekundiert: "2010 gab uns die Möglichkeit, den Kopf klar zu bekommen." Das mögen auch berühmte Rückkehrer wie Queen, Blur oder die Scorpions gedacht haben - ein schöner Nebeneffekt, wenn dabei zugleich die Einnahmen sprudeln.
Thematisch soll "Cast in Steel" jedenfalls einen längeren Reifeprozess widerspiegeln, erklärt Waaktaar-Savoy. Es gehe unter anderem darum zu zeigen, wie feste Ansichten aus Jugendzeiten ins Wanken geraten und durch "mehr Beweglichkeit" ersetzt werden können.
Aber spielt jene "Beweglichkeit" im Leben der meisten Menschen wirklich eine Rolle - oder schwinden die Optionen nicht vielmehr mit dem Alter? "Mag sein", meint Harket. "Doch die Trennlinie zwischen Richtig und Falsch verschwimmt, je erfahrener man wird." Insofern bedeute "Cast in Steel" das Gegenteil: Nichts sei in Stahl gegossen oder Stein gemeißelt. "Das heißt nicht, dass es damit enden muss."
Von Jan-Henrik Petermann, dpa - Archivbild: Heiko Junge (epa)