Von seinem größten Hit hält Van Morrison nicht viel. "Für mich war das ein Wegwerfsong", sagt der Nordire über "Brown Eyed Girl", das Lied, das 1967 den Beginn seiner Solokarriere markierte. Die Plattenfirma habe eben dafür Werbung gemacht, "aber nicht, weil ich es mochte. Ich habe etwa 300 andere Songs, die besser sind."
Trotzdem ist es der oft gecoverte Ohrwurm, der neben "Moondance" wohl den meisten Leuten einfällt, wenn sie an den Altmeister des Rhythm and Blues denken. Am Montag (31. August) wird er 70 Jahre alt. In den vergangenen fünf Jahrzehnten hatte Van Morrison zahllose Gelegenheiten, seine 300 besseren Songs einzuspielen und live zu präsentieren.
"Van the Man", wie seine Fans ihn nennen, ist immer noch einer der ganz Großen und Gefeierten der Szene - und irgendwie trotzdem kein Star im Sinne des modernen Musikbetriebs. Auf der Bühne wirkt er wie ein Musik-Nerd, der beim Singen die Augen schließt und sich hinter einer großen Sonnenbrille versteckt. "Morrison ist der Anti-Showman", urteilte der "Irish Emxaminer". Dazu passt, dass Morrison für seinen mürrischen Charakter berühmt-berüchtigt ist.
Wenn ihm die Stimmung nicht passt oder er sich anderweitig nicht gut fühlt, kürzt der Nordire Konzerte schon mal ab oder spielt mit dem Rücken zum Publikum. Interviews vermeidet er, wo es nur geht, und viele Journalisten haben richtiggehend Angst vor einem Gespräch mit ihm. Fragen zu seinem Privatleben (er ist in zweiter Ehe verheiratet) sind generell tabu. Und trotzdem - oder deswegen - verehren seine Fans ihn als lebende Legende. Nirgends lieben sie ihn wie in Nordirland.
George Ivan Morrison ist tief verwurzelt in seiner Heimat, dem Osten Belfasts, wo er an seinem runden Geburtstag in der Cyprus Avenue auftreten wird, einer Straße, die er im gleichnamigen Song auf seinem gefeierten Album "Astral Weeks" (1968) verewigt hat. Seine keltischen Wurzeln kamen Morrison musikalisch während seiner Jahre in den USA so wenig abhanden wie der nordirische Akzent.
Der Sohn eines Werftarbeiters lernte über die große Plattensammlung seines Vaters schon als Junge Blues, Gospel und Country-Musik kennen. Zu den frühen Vorbildern zählen die US-Musiker Jimmie Rodgers und Mahalia Jackson. Morrisons Bestimmung schien immer klar. Als Teenager tingelte er mit verschiedenen Gruppen von Gig zu Gig, sang, spielte Gitarre, Mundharmonika und bald auch Saxofon. Er war noch keine 20, als er Them gründete. Lieder wie "Gloria", "Baby, Please Don't Go" und "Here Comes the Night" machten die Band und mit ihr Morrison nach und nach international bekannt.
Doch den großen Durchbruch schaffte er solo. Auf sein Debütalbum "Blowin' Your Mind!" 1967 folgte Platte auf Platte. Lang ist die Liste der Musikgrößen, mit denen er im Studio und auf der Bühne stand und steht - Ray Charles, Jim Morrison, Cliff Richard, John Lee Hooker und Tom Jones waren dabei, und bis heute immer wieder Georgie Fame.
Sein Talent, aus dem Zusammenspiel mit anderen etwas Einzigartiges zu schaffen, bewies Morrison auch auf seinem jüngsten Album "Duets", das im Frühjahr erschien und auf dem er unter anderem mit Michael Dublé, Mark Knopfler, Simply-Red-Frontmann Mick Hucknall und Joss Stone ältere Lieder aufarbeitet. "Reworking the Catalogue" ist der Untertitel des Albums, "das Register nochmal durcharbeiten". Mit der heutigen Musik kann der Altmeister wenig anfangen, die heutigen Begriffe von Blues, Soul und R'n'B sind nicht mehr seine. Auf die Frage des "Time"-Magazins, welche aktuellen Bands er spannend finde, ist seine Antwort eindeutig: "Keine. Nichts. Es war alles schonmal da."
Auch was Ehrungen angeht, kann auf den 70-Jährigen nicht mehr viel Neues zukommen. Er hat unter anderem sechs Grammys, zwei Ehrendoktorwürden, seinen Namen in der Rock n Roll Hall of Fame und, ganz neu sei diesem Sommer, einen Ritterschlag.
Von Teresa Dapp, dpa - Bild: Laurent Gilieron/AFP