Anders als bei der Violine und dem Klavier ist das Finale des Concours Reine Elisabeth für Gesang auf vier Abende mit jeweils drei Kandidaten konzentriert und nicht über eine Woche mit je zwei Kandidaten pro Abend verteilt. Warum? Die Programme der Sänger sind etwas kürzer als jene der Instrumentalisten.
Verständlich, denn längere Programme sind in so dichter Folge von den jungen Sängerinnen und Sängern nicht zu bewältigen, schon jetzt müssen sie von einer Arie zur nächsten springen und dabei ihre stilistische Vielseitigkeit zeigen.
Jodie Devos aus Neufchâteau kam die Ehre zuteil, das Finale zu eröffnen. Die 25-Jährige zeigte die ganz große Kunst der Koloratur. Einige Spitzentöne bei der von ihr gewählten Mozart-Konzertarie wirkten noch ein wenig unsicher, aber dann begeisterte sie in Arien von Donizetti und vor allem in Bernsteins Candide: Hier paarte sich Humor mit Spielwitz und großem musikalischen Können.
Eine ganz andere Sopranistin ist die Ungarin Emoke Barath: Sie ist ein lyrischer Sopran. Sie gestaltete ihr Programm mit sehr viel Finesse, aber auch sie verfügt nicht über eine Riesenstimme. Sie legt eher Wert auf die Zwischentöne und das hat seinen Charme.
Enttäuschend war hingegen ihr Landsmann Levente Pall, ein Bass mit einer Tendenz zur höheren Bariton-Stimme. Gerade die tiefsten Töne verloren immer wieder an Klangfarbe. Auch nimmt er sich hinsichtlich des Tempos und der Zusammenspiels mit dem Orchester sehr viel Freiheiten, aber bemerkenswert seine Bühnenpräsenz.
Der zweite Abend wurde vom französischen Mezzo-Sopran Sarah Laulan eröffnet. Auch sie ist eine Bühnennatur. Sie spielt und singt mit einer Lockerheit, die schon auf eine gewisse Erfahrung aufbaut. Mit ihren 29 Jahren zählt sie zu den älteren Finalisten. Sie zeigt eine Vielfalt, die von Wagners Waltraute aus der Götterdämmerung bis zu Bizets Carmen reicht. Besonders als Carmen glänzt sie, während sie zuvor in den deutschen Arien doch noch ihre Aussprache verbessern könnte.
Deutsche Sprache, schwere Sprache - das gilt auch für die Koreanerin Hyeseng Park. Aber wie sie danach als Manon in der gleichnamigen Oper von Massenet und als Violetta in Verdis Traviata die Koloraturen meistert, das verlangt unseren höchsten Respekt. Jeder noch so virtuose Triller sitzt, sie spielt förmlich mit ihrer Stimme, die ihre keine Grenzen setzt.
Nach der Pause dann ein Stimmungswechsel, der kaum kontrastreicher hätte sein können. Daniela Gerstenmeyer aus Deutschland hat sich auf das Oratorien-Repertoire für ihren Finalauftritt fokussiert. Welch wunderbare Stimme, welcher Ausdruck, allerdings auf eine sehr in sich gekehrte Art. Sie sucht nie den schnellen Effekt, sondern möchte mit einer bis dahin beim Concours nicht gehörten Innigkeit überzeugen. Dass dies nicht zu den Jubelstürmen des Publikums wie zuvor bei Jodie Devos und vor allem Hyeseng Park führen kann, erklärt sich von selber.
Aber wie entscheidet die Jury? Beim Gesangswettbewerb ist es noch spekulativer, eine Prognose zu wagen, als beim Violin- oder Klavierwettstreit. Außerdem: Es ist erst Halbzeit. Am Freitag und Samstag sind noch jeweils drei Finalisten an der Reihe, mit Sheva Tehoval auch noch eine weitere Belgierin.
Bild: Laurie Dieffembacq/BELGA