Lüttichs Operndirektor Stefano Mazzonis ist dafür bekannt, dass ihm traditionelle Inszenierungen lieber sind als neue Sichtweisen auf ein Werk. Das ist mehr als legitim und zeitigte in der Vergangenheit auch einige sehr gelungene Produktionen im Lütticher Opernhaus. Denn, und das ist doch nicht weniger wichtig bei einer Oper, in Lüttich wird fast immer auf sehr gutem Niveau gesungen. Dies ist auch bei dieser Aida der Fall. Aber wie ist es möglich, eine solche Inszenierung auf die Bühne zu bringen?
Der italienische Regisseur Ivo Guera, der übrigens die Umsetzung seiner Inszenierung, die er schon 2006 in Bordeaux herausgebracht hatte, jetzt in Lüttich seinem Assistenten überließ, begnügt sich damit große, ja übertriebene Gesten von den Sängern zu verlangen, die so stereotyp sind, dass sie manchmal fast wie eine Karikatur wirken. Die Faust an die Lippen gepresst, bedeutet, dass sich jemand erschrocken hat, wenn die Hand zur Stirn geht, heißt dies, es wird nachgedacht, und immer wieder reckt irgend jemand demonstrativ die Arme zum Himmel, das ist wohl die Suche nach einer höheren Eingebung, die man dem Regisseur nur gewünscht hätte.
Das Bühnenbild entspricht dem, wie man sich ein Ägypten aus dem Modellbaukasten vorstellt. Da dürfen die alten Symbole, das Flachrelief und auch der Obelisk nicht fehlen, es sieht aus wie ein zerfallenes Theben für Las Vegas. Selbst die Kostüme sind von einer erstaunlichen Geschmacklosigkeit. So etwa der Lederwams des Radames, ganz zu schweigen von den an Windeln erinnernden Tüchern, die den Sklaven als einzige Kleidung dienen. Warum einige Sklaven in der ersten Szene unter dem wallenden Umhang der Amneris heraus kriechen, bleibt auch ein Geheimnis des Regisseurs.
Aber eine solch wirklich nichtssagende Inszenierung hat auch ihr Gutes. Man braucht erst gar nicht nachzudenken und der Vorteil für die Sänger ist, dass sie gar nicht erst einer Personenregie folgen oder sich mit einer Idee auseinandersetzen müssen, sondern ganz einfach vorne an der Rampe ihre Arien singen dürfen.
Und das ist in Lüttich für die meisten Rollen auch auf einem guten Niveau der Fall, allen voran überzeugen die beiden weiblichen Gegenspielerinnen Nino Surguladze als Amneris und Kristen Lewis als Aida, die allerdings in den hohen Passagen ein wenig kurzatmig wirkte. Massimiliano Pisapia verfügt über eine sehr kraftvolle Tenor-Stimme, allerdings nimmt man ihm den jugendlichen Radames nicht ganz ab.
Vorzüglich war nach meiner Meinung das Orchester. Paolo Arrivabeni ist ein glänzender Verdi-Dirigent. Ob in den pompösen Orchesterpassagen der beiden ersten Akte, etwa im berühmten Triumphmarsch oder im zweiten Teil mit seinen fast schon kammermusikalisch intimeren Szene, Arrivabeni findet den angemessenen Ton und die entsprechende Dynamik.
Als Fazit könnte man sagen, es lohnt sich die Produktion zu hören, schade, um die Inszenierung. Es ist wieder mal eine vertane Chance.
Bild: brf tv