Wer die Regiearbeiten von Calixto Bieito kennt, weiß, dass der Mann drastische Bilder liebt und gerne vermeintliche Tabubrüche auf die Bühne bringt, so etwa vor zwei Jahren in der Oper Gent bei der zwar bilderreichen aber ansonsten misslungen Sicht auf Kurt Weills „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“. Da hätte man jetzt in einer Oper in deren Mittelpunkt tatsächlich Sex und Mord stehen, bei Bieitos Phantasie wieder einige Exzesse erwarten oder gar befürchten können. Aber weit gefehlt. Obwohl die Flämische Oper in letzter Minute nochmals darauf hinweisen wollte, dass die Produktion für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet sei, ist diese Bieito-Arbeit nicht schockierend oder übertrieben gewalttätig. Und das ist gut so, denn die Handlung an sich braucht zwar starke Bilder aber nicht noch eine zusätzliche Überhöhung.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Katerina Izmojlova. Sie ist unglücklich mit Zinovi Izmalojlov verheiratet, dessen Vater Boris das Sagen hat und die ganze Familie tyrannisiert. Da lässt sich Katerina nur allzu leicht auf eine Affäre mit dem Vorarbeiter Sergei ein. Und gemeinsam bringen sie die beiden Männer um, die Katerina ins Unglück stürzten. Die Morde werden aufgedeckt und Katerina und Sergei landen im Straflager.
Dmitri Schostakowitsch hat diese Oper 1934 herausgebracht. Sie war zunächst ein großer Erfolg, wurde dann aber von Stalin und dessen Kulturapparatschiks als „Chaos statt Musik“ verdammt und verschwand für Jahre von den sowjetischen Bühnen. Heute zählt Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ zu den Hauptwerken des 20. Jahrhunderts. Die Musik ist oft der Thematik entsprechend kraftvoll bis aggressiv. Und dem Orchester der Flämischen Oper glückt unter der Leitung von Dmitri Jurowski eine großartige Wiedergabe, die der gewaltigen Kraft der Partitur gerecht wird, ohne in pompöses Klanggehabe zu verfallen. Ebenso bemerkenswert die fast satirischen Passagen gewisser Szenen und andererseits die lyrischen Momente der Katerina.
Neben der musikalischen Interpretation gilt es auch die sängerischen Leistungen zu loben. Ein vorzügliches Solistenensemble erlebt man in Antwerpen: allen voran mit der lettischen Sopranistin Ausryne Stundyte in der Titelpartie und dem Tenor Ladislav Elgr als Sergej. Und das ist ebenso bemerkenswert: Alle Solisten singen nicht nur hervorragend, sondern verstehen es auch als Darsteller, als Schauspieler zu überzeugen. In Mimik und Gestik lässt Regisseur Bieito sie an ihre Grenzen gehen. Nach den drei Stunden Aufführung ist allen Beteiligten der physische Kraftaufwand und die psychische Belastung und nachfolgende Erleichterung ob des gelungenen Abends förmlich anzusehen.
Bis zum 6. April steht "Lady Macbeth von Mzensk" auf dem Spielplan der Oper in Antwerpen.
Bild: Chema Moya (epa)