Die Fenster und Eingangstür mit Holz vernagelt, der Vorgarten verwuchert: Der Verfall des Elternhauses von Eminem steht wie sinnbildlich für den wirtschaftlichen Niedergang der Pleite-Stadt Detroit. Vor 13 Jahren posierte der zum absoluten Superstar aufsteigende US-Rapper für das Cover seines Meisterwerks "The Marshall Mathers LP" in weiten Hosen auf der noch gepflegten Veranda in der 19946 Dresden Street. Auf der Plattenhülle von "The Marshall Mathers LP 2", das diese Woche veröffentlicht wird, verschwindet alles langsam unter Unkraut.
Es solle keine Fortsetzung, sondern "ein Wiederbesuch" seines zweiten Hit-Albums sein, erklärt der inzwischen 41-Jährige im "Rolling Stone" das Konzept. "Es geht um den Vibe und die Nostalgie." Gleich auf dem ersten Track "Bad Guy" erinnert Eminem an seine erste deutsche Nummer-Eins-Single, übernimmt die lyrische Perspektive des kleinen Bruders des Fans, der sich 2000 in "Stan" aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit seines angehimmelten Stars selbst umbringt.
Das lateinische Motto seiner insolventen Heimatstadt "Speramus meliora, resurget cineribus" beschwört als CD-Aufdruck die Hoffnung auf bessere Zeiten und den Aufstieg aus der Asche. Auch der erfolgreichste Rapper des vergangenen Jahrzehnts hat die harte Rückkehr von ganz unten erlebt.
Schwieriger Spagat
Nachdem "Relapse" 2009 als Konzeptalbum seine überwundene Drogen- und Medikamentensucht thematisierte und "Recovery" ein Jahr später den endgültigen Beginn der zweiten Karrierephase einläutete, präsentiert sich Marshall Bruce Mathers III nun zwiespältig. Ein schwieriger Spagat. Einerseits singt Eminem in Tradition von 80er Größen wie Slick Rick zahlreiche Refrains selbst, reklamiert andererseits mit roh-rasanter Reimakrobatik im "Rap God" den Hip-Hop-Thron zurück. "Wenn du nicht der beste sein willst, warum rappst du dann?", fragt er.
Zum Start seiner Karriere ließ sich Eminem bereitwillig als Bürgerschrecks inszenieren, inzwischen reicht es trotz immer noch expliziter Texte nur noch für kleine Skandal-Schlagzeilen. Die häufig gehörten Vorwürfe der Homosexuellenfeindlichkeit, diesmal vorgebracht vom Ex-Culture-Club-Sänger Boy George, verhallten schnell in der allgemeinen medialen Aufgeregtheit.
Vielmehr gibt sich der oft Gescholtene inzwischen sogar phasenweise handzahm. In "Headlights" entschuldigt sich Eminem bei seiner Mutter für Beschimpfungen à la "selbstsüchtige Bitch" aus der Vergangenheit: "Zu der Zeit war ich wütend. Vielleicht zurecht, aber so weit wollte ich es nie treiben."
Die Wut hat sich Eminem aber auch im fortgeschrittenen Rapper-Alter bewahrt. Im Video zu "Survival" zieht er als Sprayer durch die Straßen, sieht seine Stadt brennen - und steht am Ende mit aussichtslosem Gesichtsausdruck vor dem heruntergekommenen Haus seiner Teenagertage, das jüngst die Michigan Staatsbank zum Verkauf anbot. Nach einigen Sekunden des Innehaltens dreht sich Eminem weg und verschwindet im Dunkeln - die Vergangenheit hinter sich lassend.
Florian Lütticke, dpa - Bild: Pierre Andrieu (afp)