Welch ein grandioser Konzertabend. Andrey Baranov überzeugte am Donnerstag beim Concours Reine Elisabeth auf der ganzen Linie. Der 26-jährige Violinist setzte dabei ganz auf die russische Karte. Und damit hatte er Recht.
Baranov, der vor drei Jahren im Halbfinale des Concours ausschied, hat sein Repertoire gefunden und begeistert mit Werken von Prokofiev und Schostakowitsch. Die russische Violintradition liebt den großen Ton und entbehrt nicht einer herrlichen Lyrik sogar Melancholie. Das zeigte er gleich in der Sonate Nr 2 von Sergey Prokofiev. Konnte der Japaner Tatsuki Narita uns am Dienstagabend schon mit seiner Interpretation dieser Sonate begeistern, setzt Baranov vielleicht noch einen drauf.
Das Andante ist von einer packenden Intensität, das Finale erinnert an einen wilden Ritt durch die Karpaten. Dabei erscheint Baranov rein äußerlich eher wie ein gemütlicher Bonvivant. Aber welche Persönlichkeit und welche Kraft. Voller mitreißender Leichtigkeit und Sicherheit spielt er das Pflichtwerk, dialogisiert mit dem Orchester, dominiert es förmlich an exponierten Passagen.
Das Beste zum Schluss
Aber das Beste kam zum Schluss: das Violinkonzert von Dmitri Schostakowitsch. Das einleitende Nocturne wird zu einem ergreifenden Moment der Nostalgie und Sehnsucht. Melancholie kann so schön singen. Beim nachfolgenden Scherzo lässt er die Musik tanzen, dass beim Zuhören schon das Bein mitschwingt. Dann wieder die packende Verzweiflung in der Pasacaille und zuletzt eine atemberaubende Jagd durch das burleske Finale. Fürwahr ein großer Moment. Das Publikum springt förmlich von den Sitzen um stehend zu applaudieren. Die zweite Standing Ovation in dieser Woche. Auch Tatsuki Narita wurde so gefeiert.
Baranov dürfte einen Platz oben im Palmares sicher sein. Aber ob es der erste sein wird, das vorauszusagen wäre zu gewagt. Denn es stehen noch einige Finalisten an.
Dami Kim zweite Kandidatin
Viel hatte man von der Koreanerin Dami Kim erhofft. Sie spielte am Donnerstag als zweite Kandidatin des Abends. Und zunächst dachte man auch, dass sie den Erwartungen entsprechen könnte. Wer es wagt die Bartok Sonate Nr 2 zu präsentieren, weiß um seine Fähigkeiten. Das Werk ist alles andere als ein Publikumsrenner oder gar ein Hit, nein, die Sonate ist eher spröde. Genial aufgebaut und mit technischen Schwierigkeiten versehen.
Und Dami Kim schaffte es, diese anspruchsvolle Partitur mit Verve zu interpretieren. Allerdings ließ sie den Humor, der dem Werk auch innewohnt, vermissen. Dieser Eindruck setzte sich dann im Pflichtwerk fort. Die 23-jährige Koreanerin verfügt über eine verblüffende Technik, aber diese ist meist Selbstzweck, rein musikalisch fehlt es noch ein wenig an Reife.
Auch würde ein kleines Lächeln manchmal der Musik gut tun. So wurde das Paganini-Konzert leider nur eine Demonstration virtuosen Könnens und kein musikalisches Highlight, wie wir es etwa am Dienstag in der Wiedergabe Naritas erlebten. Zudem schien ihr im Schlusssatz ein wenig die Kraft zu schwinden.
Am Freitagabend sind die Amerikanerin Nancy Zhou, die übrigens so ganz nebenbei Medizin studiert und der Weißrusse Artion Shishkov an der Reihe und Samstag die Nesthäkchen des diesjährigen Concours, die beiden 17-jährigen Esther Yoo und Yu-Chien Tseng.
Erst nachdem der letzte Ton verklungen ist, kann man mit den Prognosen beginnen. In der Nacht auf Sonntag wird er dann feststehen, der Sieger respektive die Siegerin des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs 2012 für Violine.
Bild: Kristof Van Accom (belga)