Eine Violinistin aus Korea und ein 20-jähriger Japaner setzten gestern beim zweiten Finalabend des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs wahre Glanzlichter.
Nach dem ein wenig verhaltenen Auftakt am Montag wartete der zweite Finalabend gleich mit einem echten Paukenschlag auf: Standing Ovations gab es zu Recht unwillkürlich nach der Wiedergabe des Violinkonzertes Nr1 von Nicolo Paganini durch den Japaner Tatsuki Narita.
Zunächst spielte die 24-jährige Koreanerin Hyun Su Shin. Sie eröffnete ihren Auftritt mit der dritten Sonate von Johannes Brahms und lieferte eine sehr persönliche, sehr romantische Interpretation.
Sie verfügt über eine grundsolide Technik, lässt die Violine aufs schönste singen, bleibt aber zum Beispiel im berühmten zweiten Satz ein wenig reserviert, erst im Schlusssatz geht sie aus sich heraus. Als ein wenig störend empfand ich ihr sehr breites Vibrato. Das Pflichtwerk spielte sie dann mit großer Konzentration, aber wie am Vorabend verschwand die Violine oftmals im Orchesterklang.
Kammermusik vom Feinsten
Ganz anders der zweite Finalist, der Japaner Tatsuki Narita. Er setzt Zeichen in diesem kurzen Concerto und lässt sogar an einigen Stellen eine Prise Humor aufleuchten. Auch ein Vergleich in Sachen Sonate drängt sich förmlich auf, denn auch Narita spielte die dritte von Brahms. Gemeinsam mit seiner Pianistin Marta Gödeny lieferte er Kammermusik vom Feinsten. Eleganz vereint mit Raffinement, bei ihm ist das Vibrato nie Selbstzweck. Wunderbar der langsame Satz ebenso wie die mit Spielwitz und doch einer gewissen klassisch angemessenen Zurückhaltung vorgetragenen schnellen Sätze. Meine Präferenz geht eindeutig zu ihm.
Als Wahlkonzert spielte die 24-jährige Koreanerin jenes von Jean Sibelius. Hochkonzentriert findet sie die treffende düstere, melancholische Klangfarbe, lässt im umfangreichen ersten Satz kleine Episoden deutlich werden, allerdings auf der anderen Seite die große Linie der Erzählung vermissen. Als sie gleich zu Beginn des Finales eine der ersten Noten etwas überhart und unschön attackierte, da fürchtete man, dass ihr die Kräfte schwinden könnten. Aber keineswegs: Sie lässt zum Ende hin nochmals ihre Kunst aufblitzen.
Aber das Glanzlicht des Abends wird zu später Stunde Tatsuki Narati setzen. Was der 20-Jährige aus dem Paganini-Konzert herausholte, war höchste Ehren wert. Gewiss, vom musikalischen Gehalt her ist dieses Paganini-Konzert vielleicht nicht das Wertvollste des Repertoires, aber rein violinistisch eine ungemeine Herausforderung und, wenn das Werk so gespielt wird wie von Narita, dann ist die Spannung bis zur letzten Sekunde garantiert.
Eine besondere Atmosphäre
Selten habe ich die Kadenz des ersten Satzes so virtuos und packend gehört. Die Reaktion im Saal war dann auch einzigartig: Das Publikum blieb zwar relativ ruhig, aber eine ganz besondere Atmosphäre lag in der Luft. Die meisten hätten am liebsten spontan Beifall gezollt. Und auch die beiden nächsten Sätze ließen keine Wünsche offen. Von Tatsuki Narati möchte man noch mehr hören, ganz gleich wie er letztlich beim Concours abschneiden wird.
Denn es erwarten uns ja noch acht Finalisten, darunter unser Landsmann Marc Boushkov, der Sohn des dritten Preisträgers aus dem Jahre 1989 Eugene Boushkov. Marc Boushkov ist 21 Jahre jung, studiert in Hamburg und spielt zur Zeit im Symphonieorchester des NDR. Er wird eine Beethoven-Sonate und das Sibelius-Konzert interpretieren.
Bild: Benoît Doppagne (belga)