Seit Samstag Abend stehen sie fest: die zwölf Finalisten des Concours Reine Elisabeth 2012 für Violine.
Von den 78 Teilnehmern der ersten Runde bestritten in der vergangenen Woche 24 das Halbfinale und nun sind, wie immer beim Königin-Elisabeth-Wettbewerb, die zwölf besten übrig geblieben.
Der Belgier Marc Bouchkov ist zurecht dabei. Nicht nur dass ihm das Violinspiel in die Wiege gelegt wurde (Vater Ewgeny war dritter Preisträger beim Concours 1989 und Marks Großmutter Zora Shikmuraeva 1963 Viertplatzierte), der 21-jährige Violinist glänzte in seinem Solorezital.
Das Mozart-Verhängnis
Bei dem ebenfalls im Halbfinale verlangten Mozart-Konzert ließ er allerdings einige Wünsche übrig. Damit steht er aber nicht alleine. Kaum einer der 24 Halbfinalisten konnte wirklich mit einer angemessenen Mozart-Interpretation überzeugen. Hier bewahrheitet sich der Spruch: es gibt kaum etwas Schwierigeres als die technisch vermeintlich leichten Mozart-Partituren.
Mozart wurde einem Kandidaten regelrecht zum Verhängnis: dem Deutschen Stefan Tarara. Hatte er am Dienstagabend bei seinem Solorezital mit einer Wahnsinnstechnik und ebensolchem Spielwitz das Publikum im Kulturzentrum Flagey zu wahren Ovationen hingerissen, enttäuschte er am Freitag mit unsicherem und wenig inspiriertem Mozart-Spiel. Ihm hätte man mehr zugetraut.
Der bessere Startplatz
Ansonsten ist die Auswahl der Juroren sehr gut nachvollziehbar: Die meisten der zwölf Finalisten überzeugten mit ausdrucksstarker Persönlichkeit und lassen auf eine abwechslungsreiche Finalwoche hoffen. Einen klaren Favoriten gibt es nicht. Vielleicht am ehesten den Tschechen Josef Spacek, der am kommenden Montag gleich als Erster an der Reihe sein wird, oder den Russen Andrey Baranow, der mit 28 der Älteste der Finalisten ist, oder aber das Küken des Concours: die 17-jährige Amerikanerin Esther Yoo, die am letzten Abend der Finalwoche spielen wird. Die Geschichte des Wettbewerbs lehrt, dass dies von Vorteil sein kann. Warum? Darüber gibt es sogar wissenschaftliche Abhandlungen, die allerdings auch ohne schlüssige Antwort bleiben.
Wundern darf man sich schon, dass sechs der Finalisten am letzten Halbfinaltag entweder mit Rezital oder Mozart-Konzert an der Reihe waren. Sind die Juroren auf der Schlussgeraden gnädiger? Ist die innere Spannung der Kandidaten am letzten Tag eines Wettstreits größer? Oder ist es der reine Zufall, dass die Auslosung ergibt, dass das Beste am Ende kommt? Fragen, die immer noch einer Antwort harren.
Schöne Aussichten
Vom 21. bis 26. Mai werden nun jeweils zwei Finalisten ihr Glück im Palais des Beaux Arts versuchen, nachdem jeder Kandidat die gleiche Vorbereitungszeit in der Chapelle Reine Elisabeth hatte, vor allem zur Einstudierung des unbekannten Pflichtwerks, das jeder spielen muss. Bei den Wahlkonzerten gibt es an den jeweiligen Abenden erfreulicherweise keine Doppelungen, wie wir es aus vorherigen Jahren manchmal kannten. Insgesamt stehen viermal das Sibelius-, dreimal das Tschaikowsky-, zweimal das Paganini-Konzert sowie je einmal Brahms, Beethoven und Schostakowitsch auf dem Programm.
Nach Nationen sieht das Teilnehmerfeld wie folgt aus: zwei Kandidatinnen aus Korea, drei aus den USA, von denen einer ursprünglich aus Albanien stammt, dazu je einer oder eine aus Russland, Weißrussland, Japan, China, Kanada, Tschechien und unser Landsmann Marc Boushkov. Allerdings studieren die meisten gar nicht mehr in ihren Heimatländern: Bouchkov studiert in Hamburg, die Amerikanerin Esther Yoo hingegen an der Chapelle Reine Elisabeth in Argenteuil. Lassen wir uns überraschen und freuen wir uns auf spannende Konzertabende.
Hans Reul - Bild: Kristof Van Accom (belga)