Es klingt wie ein Abschied - aber es ist keiner. «Ich habe dem Beruf viel zu verdanken und gehe ohne Bitterkeit. Im Gegenteil», schrieb Thomas Quasthoff am Mittwoch, als er nach fast 40 Jahren seinen Rückzug von der Bühne bekanntgab.
Der Bassbariton, dessen Stimme wie ein Donner erschallen kann, wird nicht mehr für seine Zuhörer singen. Nach einer beispiellosen Sängerkarriere tritt er mit 52 Jahren ab.
Was seine Fans lange befürchtet hatten, ist nun Gewissheit: Bei seiner angeschlagenen Gesundheit ist Quasthoff das Konzertleben zu anstrengend geworden.
Ob bei Liedern von Mahler, Schubert und Brahms oder in seinen wenigen Opernauftritten - mit seiner dunklen, tiefen Stimme hat Quasthoff die Bühnen der Welt erobert. Er sang Jazz-Standards und die Matthäus-Passion, wenige Klassikkünstler sind so wandlungsfähig wie er. Quasthoff ist das Gesangsgenuschel fremd, jedes Wort sitzt.
Contergan
Als «Contergan»-Kind ohne Arme zur Welt gekommen, hat Quasthoff seine Behinderung nie als Nachteil für seinen Beruf gesehen. Bis zu einem gewissen Alter sei das «schlicht nur ein Faktum, das man gar nicht weiter überblickt», sagte er in einem Interview mit der «Zeit». Und vielleicht habe er dadurch eine emotionale Ebene geschaffen, die der Musik zuträglich ist.
Dass er eine besondere Stimme hat, wusste der in Hildesheim geborene Quasthoff früh. In Hannover studierte er Gesang und Jura, begann zunächst als Sprecher beim Norddeutschen Rundfunk. 1987 gewann er den Würzburger Mozart-Wettbewerb, 1988 den ARD-Wettbewerb in München. Seitdem sammelte er Preise und Auszeichnungen, mehrere Klassik-Echos, drei Grammys und den Karajan-Musikpreis.
Auch in der Oper sorgte er für Furore: Bei den Salzburger Osterfestspielen 2003 sang er in Beethovens «Fidelio» unter Sir Simon Rattle, in Wien den Amfortas in «Parsifal». Mit schönem Singen rühre man Menschen nicht, man müsse auch schon etwas zu sagen und zu wagen haben, hatte er gesagt. Seine Behinderung wurde auf der Bühne zum Symbol für die Verletzlichkeit des Menschen.
Jazz
Zwischen seinen Klassik-Auftritten nahm sich Quasthoff Zeit für musikalische Umwege. «Ich habe immer Jazz gemacht und immer Jazz gehört». Im Jahr 2004, zur Verleihung des Alternativen Nobelpreises, sang er mit der Berlin Philharmonic Jazz Group. Der Trompeter Till Brönner saß damals im Publikum. Nach einem ersten Treffen machten beide Musiker alles klar: Die Idee für eine gemeinsame Jazz-CD war geboren. Schnell einigten sich beide auf die Songs. «Wir hatten einen Nachbarn, der eine Single-Sammlung hatte, mehr als 300 Titel, von Bix Beiderbecke über Louis Armstrong bis Sydney Bechet - die habe ich rauf und runter gehört und aufgenommen», erzählte er.
Und immer wieder kehrte er zum Lied zurück. Als Professor der Berliner Hanns-Eisler-Musikhochschule wird er den von ihm und seiner Frau Claudia gegründeten Gesangswettbewerb «Das Lied» fortsetzen. Dann wird er immer wieder im Saal sitzen und zuhören, für seine Schüler aber wohl ab und zu die Stimme erheben.
dpa - Bild: Robert Newald (epa)