Die Auftrittsorte von Quadro Nuevo sind so verschieden wie die Wurzeln ihrer Musik. Jenseits der gängigen Genre-Schubladen hat das Quartett eine ganz eigenen Ton-Poesie entwickelt. Quadro Nuevo erhielt zwei Mal den Echo als "bester Live-Act des Jahres", mehrfach den German Jazz Award und eine Goldene Schallplatte.
Jetzt gibt es das neue winterlich-weihnachtliche Album "December". Es wirkt wie eine Fortsetzung der drei weihnachtlichen Alben, die Quadro Nuevo bislang in der 1996 begonnenen Bandgeschichte produziert hat. Mulo Francel, Klarinettist und Saxophonist bei Quadro Nuevo, möchte "December" aber eher als winterliches Album verstanden wissen: "Es gibt Kirchenlieder, es gibt spirituelle Melodien und sakrale Melodien. Davon ist dieses Album beeinflusst. Diese Melodien haben wir teilweise bearbeitet, umarrangiert und spielen sie auf unsere eigene instrumentale Weise."
Gemeinhin gilt Quadro Nuevo als führendes World Music Ensemble. Wobei die Musiker nicht nur die Atmosphäre, Tempi und Rhythmen in der Musik verschiedener Kulturen inhalieren und sie zu einem eigenen Ganzen zusammenwachsen lassen. Tonangebend ist auch die Improvisationsfreude der vier Musiker, die eine große Nähe zum Jazz verrät. "Ich würde unsere Musik als World Music, Weltmusik, bezeichnen. Und die speist sich aus verschiedenen Kulturen."
"Weltmusik ist für mich immer eine Begegnung verschiedener kultureller Elemente aus verschiedenen Kulturen und das kann mal arabische Musik, das kann auch mal jiddische Musik sein, das kann südamerikanische Musik sein, Tango, wenn es mehr aus dem Buenos-Aires-Raum kommt oder brasilianische Musik oder aus den Anden-Ländern. Es kann auch sehr viel Jazz dabei sein. Die Improvisations-Kunst des Jazz inspiriert uns immer wieder. Wir würden uns nicht als Jazzmusiker bezeichnen, aber wir improvisieren ebenso viel wie jetzt eigentlich auf Jazzaufnahmen."
Neben neuen Kompositionen holt Quadro Nuevo historische Lieder nach vorne und verleiht ihnen die besagten neuen Arrangements. "Das sind schon Hilferufe zum Beispiel 'Von guten Mächten wunderbar geborgen' von Dietrich Bonhoeffer, der von den Nazis wirklich weggesperrt wurde. Und er wusste, er wird sterben, er wird hingerichtet und er hat seiner Verlobten noch einen Brief geschrieben und das wurde zu einem Kirchenlied, könnte man sagen", so Mulo Francel. "Wir haben das erarbeitet, auf unsere Weise gespielt, so dass das uns Spaß macht und Sinn macht in unserer Besetzung mit Gitarre, Kontrabass, Akkordeon und Klarinette zu spielen."
Was Quadro Nuevo aus den traditionsreichen Werken macht, gelingt fortlaufend, nicht zuletzt deshalb, weil die Band sich gegenüber vielen musikalischen Einflüssen öffnet: "Wir haben verschiedene Phasen in unserer langen Bandgeschichte gehabt. Wir sind seit 26 Jahren zusammen und wir waren in Südamerika, in Asien, in Norwegen, dann waren wir wieder im arabischen Kulturraum, in Jordanien, Israel, Ägypten, haben mit Musikern dort gespielt und das fließt so alles ineinander."
"Ich kann zum Beispiel behaupten, wenn wir 'Kyrie Eleison' spielen auf diesem Album, dann ist da etwas in meinem Verständnis drin, was man als griechisch oder auch als vorderer Orient bezeichnen könnte", sagt der Musiker. "So wirklich ist es auch nicht wichtig für mich. Es ist mehr diese Herangehensweise, wie man in dieser Kultur mit der Klarinette spielt."
Quadro Nuevo beschäftigt sich bei Konzerten und auf Reisen mit dem orientalischen Kulturraum, dem regionalen Ursprung von Judentum, Christentum und Islam. In Ägypten arbeiteten sie mehrfach mit der Sufi-Band Cairo Steps zusammen. Ihr Pianist Rami Attalah arrangierte für Quadro Nuevos "December"-Album eine koptische Melodie.
"Für mich sind Geschichten immer wichtig", erklärt Mulo Francel. "Bilder sind für mich wichtig. Bei 'Oheboka Rabi Yassou' stelle ich mir wirklich eine uralte christliche Kirche vor, vielleicht aus dem dritten oder vierten Jahrhundert, so etwa wie die Hagia Sophia in Istanbul, so eine Kapelle auf dem Moses-Berg auf dem Sinai, da wo Moses die zehn Gebote erhalten hat. So etwas Sakrales stell ich mir da vor und so spielen wir das auch."
Wie vielseitig und abwechslungsreich Quadro Nuevo arrangiert, zeigt sich unter anderem an der leichtfüßigen Musik für einen Baum, den die meisten kennen. "Wir haben auf diesem Album 'O Tannenbaum'. Machen wir das eher bedächtig oder sehr getragen oder macht man es groovig? Wir haben einen Weg gefunden, wie wir es sehr groovig spielen und diese Akkorde gar nicht so brav klassisch ausspielen, sondern mehr Modern Jazz Quart Akkorde."
"Durch das groovige in Verbindung mit dem Vibraphon wird es ein ganz anderer Song, der uns Spaß macht, ihn zu spielen. Und der hat dann gar nichts betulich weihnachtsbaummäßiges mehr, sondern ist so ein Stück, wo ich mir vorstellen könnte, das kann jetzt der Soundtrack sein: Ich geh mit meinen Söhnen in den Wald hinaus und schlag jetzt einen Tannenbaum."
Quadro Nuevos Philosophie auf dem Album "December" hat auch mit Trost in der Not zu tun, hat zu tun mit Melodien in Moll, die in Zeiten von Sorgen und Traurigkeit Gefährten sein können. Und es geht auch um Mut und Zuversicht. Essenzen winterlicher Weisen. "Diese winterlichen, zum Teil weihnachtlichen Melodien drücken die Sehnsucht nach Frieden aus, nach Wärme, nach Licht in dieser dunklen kalten Jahreszeit", so der Musiker.
"Da ist zum Beispiel ein Stück, das im 30-jährigen Krieg entstanden ist: Paul Gerhardt, 'Befiehl Du deine Wege'. Paul Gerhardt hat etliche Kinder im 30-jährigen Krieg verloren. Es war eine Zeit nicht nur von Krieg, sondern auch von Seuchen, von Armut, von Hunger, von Obrigkeits-Willkür und dem war er ausgesetzt. Seine Musik, die Lieder, die er geschrieben hat, die später zu bekannten Kirchenliedern wurden, sind schon ein Hilferuf in dieser Zeit oder vielleicht auch ein Verarbeiten dieser Ereignisse."
"Die Botschaft ist vielleicht schon, dass wir die Herausforderung unserer Zeit nur gemeinsam meistern können und dass die Musik uns dabei hilft, uns zusammen zu tun, eine Brücke zu bauen."
Horst Senker