Für Guido Schumacher und die zur Orgeleinweihung mitgereisten Mitarbeiter ist es stets ein besonderes Erlebnis, das Resultat ihrer Arbeit erstmals zu hören. "Es ist der spannendste Augenblick, auf den wir zweieinhalb Jahre zugearbeitet haben. Wenn das Instrument dann zum ersten Mal professionell gespielt wird, dann löst sich die Spannung und es macht einfach nur Spaß. Es ist ein sehr schöner und emotionaler Moment."
Eine Orgel zu restaurieren oder zu bauen, ist immer großes Teamwork. "Insgesamt waren es in etwa 13.000 Arbeitsstunden, die sich auf verschiedene Handwerke verteilen. Es gibt sehr viel Holzarbeiten, außerdem natürlich die Metallpfeifen, Malerarbeiten, Vergolder und Lederarbeiten."
Eine historische Rekonstruktion ist dabei eine besondere Herausforderung. "Bei historischen Rekonstruktionen ist es ein bisschen komplizierter als bei einem Neubau, bei dem man alles frei erfinden kann", erklärt Schumacher.
"In den Geist des Erbauers hineinversetzen"
"Zunächst mussten wir historische Vorlagen suchen, weil von dem Orgelbauer Rhode nichts erhalten ist. Man hat wohl Werke von seinem Lehrmeister und von Zeitgenossen. Also haben wir zunächst Untersuchungen in Polen und in Südschweden gemacht, um uns nach und nach an seine Arbeitsweise heranzutasten. Es geht nicht nur darum, Materialien zu kopieren, sondern auch seine Werkweise zu erforschen: Warum hat er dies so und nicht anders gemacht? Es gilt, sich in den Geist des Erbauers hineinzuversetzen."
Als Orgelsachverständiger fungierte der polnische Orgelvirtuose und -pädagoge sowie Spezialist für die polnische Orgellandschaft Andrzej Szadejko, der Guido Schumacher 2008 bei einer Fachtagung der ISO, die sich der Orgeln in Danzig und Pommerns widmete, kennenlernte. "Ich schätze die Arbeiten von Guido Schumacher sehr", sagt Szadejko. "Er hat sich auf die Ausschreibung für die Orgel in der Johanniskirche beworben, seine Offerte eingereicht und Schumacher konnte sich gegen die Mitwerber durchsetzen. Sieben Experten aus ganz Polen waren in der Kommission. Und das Ergebnis ist sehr gut. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet."
Besondere Aufgabe
Die Rhode-Orgel zu rekonstruieren, war eine besondere Aufgabe, denn es gab so gut wie gar keine Originalteile. "Man kennt einige Orgeln von Andreas Hildebrandt, dem Lehrmeister von Rhode. Von Hildebrandt ist eine große Orgel erhalten geblieben. Andrzej Szadejko und ich haben bei unseren zwei Studienreisen durch den Osten Polens und Südschweden dann rund 25 Orgeln gesichtet und ausgemessen und ausgehend davon versucht, uns ins Ursprungsinstrument hineinzudenken."
Eine Orgel ist ein Kunstwerk und kann, wie die Mona Lisa, nicht so einfach auf Reisen gehen. Das gilt auch für die Originalteile einer Orgel, in diesem Fall die Schleierbretter. "Das war in der Tat sehr schwierig, denn die Schleierbretter stehen unter Denkmalschutz und durften eigentlich das Land nicht verlassen", erklärt Schumacher.
"Es ergab sich das Problem, dass sie über 40 Jahre unter ungünstigen Umständen ausgelagert waren und relativ stark verzogen und nicht mehr symmetrisch waren. Also mussten wir sie in die Werkstatt bekommen, um die Türme dann auf Maß zu rekonstruieren. Das hat dann drei Monate Verwaltungsaufwand und viele Diskussionen gekostet, um sie dann letztendlich doch für zwei Monate nach Belgien zu bekommen."
Klangbild
Aber jetzt kann die Orgel wieder in der Danziger Johanneskirche erklingen und Andrzej Szadejko beschreibt das Klangbild des Instrumentes wie folgt: "Das Instrument ist in den 1760er Jahren entstanden und kommt zwar von der Tradition des Barocks, die in Danzig schon im 17. Jahrhundert ihre Wurzeln hat. Aber die Danziger Tradition ist anders als in Hamburg oder Lübeck", weiß Szadejko.
"So finden wir in dieser Orgel sehr viele 8-Fuß-Stimmen, was normalerweise typisch für eine romantische Orgel ist, aber das hatten wir in Danzig schon Ende des 17. Jahrhunderts und vor allem im 18. Jahrhundert, so dass auf diesem Instrument nicht nur die Musik der Söhne und Schüler Bachs oder Mozarts und Haydns gespielt werden kann, sondern auch natürlich die ältere Musik, aber auch die Werke von Mendelssohn und sogar von Rheinberger und Schumann."
Nach dieser erfolgreichen Orgelrekonstruktion steht für Orgelbau Schumacher ein weiteres Großprojekt vor dem Abschluss: In der Nähe von Oslo wird bald eine ganz neue Orgel ihrer Bestimmung übergeben, diesmal eine moderne Orgel, die im anglo-amerikanischen Stil der Romantik gebaut ist. Orgeln aus der Eupener Unterstadt haben tatsächlich eine herausragenden internationalen Ruf.
Hans Reul