Schon das erste Bild lässt erahnen, was den Besucher in den nächsten drei Stunden erwartet: Komik von der besten Art. Es darf gelacht werden und dies aus gutem Grund. Regisseur Joan Anton Rechi, dem nicht jede seiner bisherigen Inszenierungen in Aachen gelungen ist, gibt dem Affen Zucker, lässt die total irrsinnige Geschichte um die liebestolle Großherzogin von Gerolstein mit Witz und gut gemachtem Klamauk über die Bühne fegen.
Zur Ouvertüre sehen wir schon die in köstlichem Cindy-von-Marzahn-Pink gekleidete Großherzogin wie Queen Elizabeth winkend, den gelangweilten Blick auf einen alten Schwarz-Weiß-Fernseher gerichtet. Der gibt aber bald den Geist auf, und ohnehin ist Madame ständig gelangweilt. Zu ihrer Unterhaltung soll die Armee mal wieder in den Kampf ziehen. Natürlich ist alles eine Parodie, eine Klamotte, naheliegend wenn der General Bumm und die Barone Puck und Grog heißen.
Jacques Offenbach nimmt hier seine Lieblingsopfer auf die Schippe: das Militär und den Adel. Rechi versucht erst gar nicht, daraus eine aktualisierte gesellschaftskritische Satire zu machen, sondern stellt die unmittelbar zündende Komik in den Mittelpunkt seiner Produktion. Da ihm ein unvergleichlich spielfreudiges Ensemble zur Verfügung steht, wird diese Operette zu einem köstlich unterhaltsamen Abend. Allen voran ist Irina Popova zu loben. Sie ist seit vielen Jahren Ensemblemitglied in Aachen, und meist für die seriösen Sopranpartien zuständig. Hier kann sie mit rollenden Augen und urkomischer Gestik sowie ebenso perfekt geführter Stimme die Grande-Duchesse spielen und singen. Diese ist ja bei ihrer Suche nach Amüsement und Abwechslung auch auf Männerfang und verliebt sich in den Soldaten Fritz, den sie kurzerhand zum General befördert. Nur, Fritz ist in seine Wanda verliebt, und die wird er letztendlich auch ehelichen, und die Großherzogin begnügt sich mit dem eher langweiligen Prinz Paul.
Patricio Arroyo zeigt als Soldat Fritz wieder einmal sein schauspielerisches Potenzial. Er tanzt und springt wie ein Irrwisch über die Bühne und versteht es dabei, auch mit feinem Tenor zu glänzen. Als seine liebste Wanda ist Suzanne Jerosme überzeugend wie stets. Jede Rolle ist wirklich typengerecht besetzt. Besondere Erwähnung verdient Takahiro Namiki als Adjudant Nepomuk der Großherzogin. Über die stimmlichen Qualitäten des jungen Japaners kann man nach diesem Abend nur wenig sagen, dafür ist die geforderte Gesangsleistung einfach zu klein, aber der Mann ist ein schauspielerisches Naturtalent. Er setzt Mimik und Gestik so punktgenau ein, dass er die Lacher auf seiner Seite hat.
Dass diese Offenbach-Operette ein solcher Erfolg ist, verdankt sie auch der musikalischen Leitung von Jori Klomp. Der 27-jährige in Malmedy geborene und in Ostbelgien bestens bekannte Dirigent gibt einen Einstand nach Maß im Orchestergraben. Jori Klomp ist seit September Chordirektor im Theater Aachen, und dass er jetzt schon die gesamte musikalische Verantwortung für eine Produktion trägt, ist bemerkenswert. Jori Klomp wird dem mehr als gerecht: Er führt Orchester, Chor und Ensemble sicher und mit Verve durch den Abend und lässt Offenbachs Musik zu einem wahren Vergnügen werden. So macht Operette Spaß!
Bis Ende Juni steht das Werk noch zehn Mal auf dem Programm des Theaters Aachen.
Hans Reul