"Wir spielen heute Abend für den Frieden und für alle Menschen in der DDR. Zum ersten Mal für Euch hier in der Halle und Euch zuhause an der Glotze. Wir finden das total Spitzen-Spitze, dass wir hier sind und dass wir uns, wie sonst in der Bundesrepublik, jetzt auch hier in der DDR, an einer Friedensveranstaltung beteiligen können." Mit diesen Worten begrüßte Udo Lindenberg am 25. Oktober 1983 das Publikum beim Ostberliner Friedensfestival.
Auf die Genehmigung, endlich einmal im Osten Deutschlands auftreten zu dürfen, hatte Udo Lindenberg lange warten müssen. Die DDR-Führung hatte große Bedenken gehabt, der politisch engagierte Musiker könnte sich bei seinen Auftritten regimekritisch äußern. Und Lindenbergs provokantes Lied "Sonderzug nach Pankow", Anfang 1983 veröffentlicht, hatte auch nicht gerade dazu beigetragen, diese Meinung über ihn zu ändern.
Der Staatsratsvorsitzende der DDR, Erich Honecker, war nicht sonderlich amüsiert über den respektlosen Text und blieb bei seiner starren Haltung, Udo Lindenbergs Auftrittswunsch im Osten weiter zu ignorieren.
Der Musiker kommentierte das damals im ARD-Polit-Magazin "Kontraste" in seiner gewohnt schnoddrigen Art: "Bisher wartet die Nachtigall vergeblich auf die Erektion… äh… Reaktion von Erich Honecker. Bisher is nix gelaufen. Aber wenn ich sein Promotion-Berater wäre, dann würde ich ihm dringend empfehlen, zu antworten, denn ich glaube, dass sein Fanclub dadurch nur größer werden könnte. Warum immer so verkniffen? Ich bin nicht der Jubelsänger des Goldenen Westens und nicht der Niedermacher der DDR."
Doch nachdem sich Lindenberg im August 1983 öffentlich bei Honecker entschuldigt hatte und man zudem glaubte, einen Besuch des populären Friedensaktivisten aus dem Westen für eigene politische Zwecke nutzen zu können, wurde dem Sänger eine DDR-Tournee in Aussicht gestellt. Darüber hinaus lud man ihn auch ein, am 25. Oktober 1983 beim Festival "Für den Frieden der Welt" in Ostberlin aufzutreten.
"Weg mit allem Raketenschrott"
Wie vorauszusehen war, nutzte Egon Krenz, damals Erster Sekretär des Zentralrates der Jugendorganisation FDJ, die Friedensveranstaltung, um gegen die Aufrüstungspläne der Nato zu wettern. "Noch ist es nicht zu spät. Die neuen amerikanischen Raketen dürfen nicht aufgestellt werden, denn es sind Erstschlagwaffen. Und sie bergen die Gefahr in sich, dass vom Boden der BRD ein neuer Krieg gegen die Sowjetunion, gegen uns alle ausgehen kann", sagte Krenz damals.
Diesen doch sehr einseitigen Friedensappell konterte Udo Lindenberg mit einem Aufruf, der sich an beide politische Blöcke richtete, was wohl nicht ganz im Sinne der Veranstalter war. "Von deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen. Weg mit allem Raketenschrott in der Bundesrepublik und in der DDR. Nirgendwo will ich auch nur eine einzige Rakete sehen. Keine 'Pershings' und auch keine 'SS-20'."
Tumulte
Vor und während Lindenbergs nur knapp 20-minütigem Auftritt, war es auf der Straße zu Tumulten gekommen. Aufgebrachte Fans protestierten, weil nur ausgesuchte Gäste Zutritt erhalten hatten. Volkspolizei und Stasi gingen mit Schlagstöcken gegen die Jugendlichen vor und nahmen einige von ihnen in Gewahrsam.
Peter Merseburger berichtete damals für die ARD: "Volkspolizei und FDJ-Ordner hatten Mühe, Hunderte von Udo Lindenberg-Fans vom Sturm auf den Palast der Republik abzuhalten. Sie zählten nicht zu jenen 4.000 Erwählten, meist linientreuen FDJ-Mitgliedern, die von der FDJ-Zentrale mit einer Eintrittskarte bedacht worden waren."
Lindenbergs Auftritt im Palast der Republik sollte zunächst einmal der erste und einzige in der DDR bleiben. Die SED-Führung war verstimmt über den "vorlauten" Sänger aus dem Westen und zog die Zusage für eine DDR-Tournee zurück. Wohl auch, weil man erneut Jugendtumulte befürchtete.
Erst 1990, nach der Öffnung der Mauer, konnte Lindenberg mit seinem "Panikorchester" auch im Osten Deutschlands Konzerte geben.
Alfried Schmitz