Es ist das Jahr der runden Geburts- und Gedenktage. 2014 steht nicht nur im Zeichen Erinnerung an den 100-jährigen Beginn des Ersten Weltkriegs. Am 28. März 1914 wurde die erste Radiosendung in Europa ausgestrahlt. Und, was vielleicht nicht jedem bewusst ist, diese Premiere fand in Belgien statt, genauer gesagt im Königspalast in Laeken.
Die erste Radiosendung auf Europäischem Boden beginnt mit einer doch seltsamen Senderkennung. Erst erklingt eine Mundharmonika, dann zählt der Sprecher Joseph Longé von eins bis zehn, bevor er die berühmten ersten Worte spricht.
Die berühmten ersten Worte
Und dann: die berühmten ersten Worte: "Hier: der radiotelegrafische und radiotelefonische Sender von Laeken bei Brüssel. Geschätzte Herren Amateure der drahtlosen Telegraphie, wir werden Ihnen jetzt ein Konzert präsentieren zu Ehren Ihrer Majestät, Königin Elisabeth. Wir beginnen mit einer Arie aus Tosca."
Puccini. Die erste Musik in der ersten Radiosendung auf Europäischem Boden. Vor exakt 100 Jahren, am 28. März 1914.
Joseph Longé hat seine erste Radiomoderation einige Jahre später neu eingesprochen, als es auch die entsprechende Aufnahmetechnik gab.
Der Kongo als Sendegebiet
Es war König Albert der Erste, der die neue Technik vorantreiben wollte. Drahtlose Telegraphie, wie man damals noch sagte. Für die Belgier war das mit Blick auf die riesige Kolonie, den Kongo, von besonderem Interesse. Zwischen Brüssel und Kinshasa liegen 6.300 Kilometer und auch der Kongo an sich ist ein riesiges Flächenland.
1895 gelang dem Italiener Guglielmo Marconi die erste drahtlose Übertragung von Signalen. Schon Leopold der Zweite, der Vorgänger von König Albert, ist sehr interessiert und lädt Marconi nach Brüssel ein.
Ab 1911 wird in Laeken -auf dem Gelände des Königsschlosses- mit dem Bau eines Radiosenders begonnen. Ziel war ursprünglich, eine interkontinentale drahtlose Verbindung zum Kongo herzustellen.
Die Brüsseler Anlagen gehören zu den leistungsfähigsten der Welt. Ein Motor von mit 300 PS musste entwickelt werden, um die gewaltige Stromspannung überhaupt erst erzeugen zu können: 6.000 Volt. In dieser Zeit, in der auch Elektrizität und Motortechnik noch in den Kinderschuhen steckten, war das fast schon Science Fiction. Die gewaltige Anlage sollte aber zunächst allein der Morse-Übertragung in und aus der Kolonie dienen.
Ab 1913 wurde in einem Nebengebäude aber auch an einem wirklichen Radiosender gearbeitet. Die Gebrüder Marzi, zwei italienische Ingenieure, musste sogar eigens ein neues Mikrophon konzipieren, das so genannte Kohlenkörnermikrofon.
Dann, der große Tag: 28. März 1914: ein Sender mit einer Leistung von 2 Kilowatt geht zum ersten Mal auf Sendung. Zu empfangen auf Langwelle, 165 Kilohertz.
Besagte "Herren Amateure der drahtlosen Telegraphie", die Sprecher Joseph Longé in seiner ersten Ansage ansprach, die konnte man fast an den zehn Fingern abzählen. Es heißt, diese erste Sendung habe ganze 26 Hörer gehabt. Empfangsgeräte waren rar gesät und zudem sündhaft teuer.
Doch mussten die ersten belgischen Radiopioniere schon wenige Wochen später erst einmal ihr Projekt ruhen lassen. Der Erste Weltkrieg stoppte die Unternehmung. Nach dem Einmarsch der Deutschen wurden die Sendeanlagen abgebaut. Das Material wurde verwendet, um Funksender für die Streitkräfte aufzubauen, in Lüttich, Namür und Antwerpen. Erst 1923 wird der Radiobetrieb in Belgien wieder aufgenommen.
Neubeginn in den 1930er Jahren
1930 wird das "Institut National Belge de Radiodiffusion" ins Leben gerufen, das INR, oder niederländisch NIR. Zugleich wird ein -für damalige Verhältnisse- hypermodernes Rundfunkgebäude in Auftrag gegeben. Das Radio-Haus an der Brüsseler Place Flagey wurde 1938 fertiggestellt und steht bis heute.
Dann kam der Zweite Weltkrieg. Das Radio, das sich inzwischen als Massenmedium etabliert hatte, sollte eine tragende Rolle spielen. Das "freie Belgien" sendet aus London.
Nach dem Krieg, am 1. Oktober 1945, kommt aber noch ein dritter Sender hinzu. Am 1. Oktober 1945 wurde in Brüssel die erste Rundfunksendung in deutscher Sprache über Mittelwelle ausgestrahlt. Die Geburtsstunde des BHF, heute BRF.
Das Radio, der Rundfunk. Zwei Mal schon hat man das Medium abgeschrieben, erst in den 60ern, als das Fernsehen kam und dann vor einigen Jahren mit dem Durchbruch des Internets. Doch auch 100 Jahre später erfreut sich das Radio immer noch bester Gesundheit, gerade in Belgien. Im Durchschnitt hört jeder Belgier pro Woche 30 Stunden lang Radio. Das ist Rekord auf dem Europäischen Kontinent. Belgien und Radio: irgendwie muss es wohl eine Liebesgeschichte sein.
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