Der ARD-Sechsteiler «Das Halstuch» nach einem Krimi des britischen Autors Francis Durbridge entpuppte sich als Zuschauermagnet. Die versammelte deutsche Schauspielerprominenz mit Heinz Drache, Dieter Borsche, Hellmut Lange, Margot Trooger oder Albert Lieven stand vor der Kamera.
Der erste Teil wurde am 3. Januar 1962 ausgestrahlt, der letzte am 17. Januar. Die Fernsehforschung war noch nicht so weit entwickelt wie heute. Das Marktforschungsinstitut Infratest ermittelte am nächsten Tag durch Anrufe, wer eingeschaltet hatte.
79 Prozent aller Geräte liefen am ersten Sendetag, 93 Prozent sogar am letzten Tag, als der Mörder der jungen Frau, die in London mit einem Schal erwürgt worden war, entlarvt wurde. Die absoluten Zuschauerzahlen sind nicht bekannt, dürften aber hochgerechnet bei 15 bis 20 Millionen gelegen haben.
Die Älteren werden sich erinnern, dass die Ausstrahlung des Krimis mit einem unglaublichen Skandal verknüpft war. Der Berliner Kabarettist Wolfgang Neuss hatte kurz vor der letzten TV-Folge in einem Zeitungsinserat den Namen des Mörders verraten. Weil Neuss um den Absturz seines Kinofilms («Genosse Münchhausen») im Publicity-Sog des «Halstuchs» fürchtete, inserierte er in der Berliner Zeitung «Der Abend» diesen Text: «Ratschlag für morgen - Nicht zu Hause bleiben, denn was soll's: Der Halstuchmörder ist Dieter Borsche. Also Mittwoch Abend ins Kino. Ein Kinofan (Genosse Münchhausen)». Die Nation war in Aufruhr, Neuss wurde in der Boulevardpresse als «Verräter» beschimpft und soll sogar Morddrohungen erhalten haben.
Tatort Fußpflege
Der Spaßmacher selber muss nasse Füße bekommen haben und erklärte später, er habe nur richtig den Namen erraten. Doch Eingeweihte hatten eine andere Erklärung, die in die Tiefen der Berliner Fußpflege führt, wie unter anderem der Hörfunksender SWR 2 vor gut vier Jahren berichtete: Weil Mutter Neuss und die Ehefrau von Schauspieler Dieter Borsche sich von derselben Pediküre behandeln ließen, sollen die wie ein Staatsgeheimnis gehüteten Informationen nach außen geschwappt sein.
Nur noch einmal war Fernseh-Deutschland ähnlich verärgert wie nach dem Neussschen Mörderverrat. Als RTL plus im Herbst 1991 die Mysterykrimiserie «Twin Peaks» ausstrahlte, veröffentlichte Konkurrent Sat.1 den Namen des Mörders im Videotext - Aufregung in Köln, diebische Freude in Berlin. RTL plus verzichtete danach auf die Ausstrahlung der letzten Folgen und überließ dies dem Privatsender Tele 5.
Mörderverrat hin, Mörderverrat her: Die Zuschauer bewerteten damals die Krimireihe bei Infratest auf einer Skala zwischen minus zehn und plus zehn mit einem Durchschnittswert von plus sechs. 36 Prozent hielten sie für «ausgezeichnet», 56 Prozent für «gut», jeweils vier Prozent sagten «zufriedenstellend» und «mäßig», keiner meinte «sehr schlecht».
Die Zuschauerredaktion beim Westdeutschen Rundfunk kam aus dem Mittippen der Anrufe gar nicht mehr raus. Die Protokolle hat das Deutsche Rundfunkarchiv in Frankfurt aber bis heute im Archiv aufbewahrt: «Von der ersten bis zur letzten Sendung voller Spannung», freute sich ein Anrufer. «War sehr interessant, nur sind sechs Fortsetzungen sehr in die Länge gezogen», sagte ein anderer. «Die beste Sendung seit langer Zeit, jeder ging dabei mit», meinte ein weiterer.
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