Frank Lehmann muss Anfang der 80er Jahre den Spagat zwischen dem Drill bei der Bundeswehr und dem chaotischen Leben in seiner links-alternativen Bremer Wohngemeinschaft meistern. Denn der 20-Jährige hat einfach vergessen zu verweigern.
Die brillante Komik dieser autobiografischen Geschichte machte den Roman 'Neue Vahr Süd' (2004) von Sven Regener zum Bestseller. Der Autor selbst erklärte einmal, das rund 600 Seiten starke Werk sei nicht verfilmbar. Die ARD hat es allen Zweifeln zum Trotz gewagt und zeigt 'Neue Vahr Süd' an diesem Mittwoch, 1. Dezember (20.15 Uhr). Obwohl die Handlung auf 90-TV-Minuten komprimiert ist, ist die Literaturverfilmung überaus gelungen.
Fans des Buches, das nach einem trostlosen, spießbürgerlichen Bremer Neubauviertel benannt ist, werden natürlich so manche Szene schmerzlich vermissen. "Wir mussten uns auf einen bestimmten Zeitraum beschränken, man kann nicht alles erzählen", sagt Regisseurin Hermine Huntgeburth (Effi Briest, Die weiße Massai). Drehbuchautor Christian Zübert ist es aber gelungen, Szenen und Schauplätze zu straffen, ohne dabei den unverwechselbaren, lakonischen norddeutschen Witz der Vorlage zu verlieren.
Eine weitere Herausforderung: Große Teile des Romans schildern den inneren Monolog Frank Lehmanns. Trotzdem verzichtete Huntgeburth auf eine Off-Stimme, die Einblick in die Gedanken des Protagonisten gibt und setzte ganz auf ihren Hauptdarsteller Frederick Lau (Die Welle). Seine Mimik, seine herrliche Art, die Stirn zu runzeln - das alles verrät tatsächlich genug.
Wer es sich zu 'Neue Vahr Süd' im Fernsehsessel bequem macht, der geht auf eine Zeitreise. Ob gelbe Telefonzelle, weißer VW-Käfer oder Aufkleber mit Friedenstaube - mit viel Liebe zum Detail hat das Filmteam das Jahr 1980 auferstehen lassen. Bei den Dreharbeiten im Bremer Ostertorviertel wurden die Fassaden eines Kinos, mehrerer Geschäfte und Imbissbuden komplett umgebaut. Auch die gut ausgewählte Filmmusik bringt das damalige Lebensgefühl zurück.
Der Witz der Geschichte beruht auf Franks ständigem Wechsel zwischen den Welten. Ob in der Kaserne oder bei den politisch links engagierten Kumpels - immer wieder eckt der 20-Jährige an, obwohl er doch eigentlich nur seine Ruhe will. Der feine Humor entwickelt sich dabei aus der Situationskomik und den Dialogen. Dauergrinsen ist beim Zuschauen angesagt, wenn Pionier Lehmann bei der Bundeswehr im Dreck wühlt, um mit ABC-Schutzbrille einem "Lichtblitz" zu entkommen.
Für großes Gelächter sorgen auch die nicht ganz ekelfreien Szenen in der vom Chaos beherrschten Wohngemeinschaft, in der Frank am Wochenende haust und Partys feiert. Weil niemand einkauft, werden benutzte Teebeutel ganz einfach noch mal aus dem Müll geholt. Damit das Durchgangszimmer einen zweiten Eingang bekommt, haut Franks Mitbewohner schnell ein Loch in die Wand. Renovieren kann man ja später - erst rufen die Revolution und natürlich die Kneipe.
Schriftsteller Regener, zugleich Frontmann der Band Element of Crime, schrieb an dem Drehbuch zu 'Neue Vahr Süd' nicht mit. Bei der Verfilmung seines Debütromans 'Herr Lehmann' 2003 war das anders. Der Kinofilm von Regisseur Leander Haußmann handelte ebenfalls vom liebenswerten Loser Frank Lehmann (damals verkörpert von Christian Ulmen), spielte allerdings zehn Jahre später als 'Neue Vahr Süd', kurz vor dem Mauerfall. 2008 beendete Regener die Lehmann-Trilogie mit dem Band 'Der kleine Bruder'. Auch dieser soll laut Angaben auf der Internetseite des Schriftstellers im kommenden Jahr von Haußmann verfilmt werden. Das Drehbuch dafür hat Regener schon fertig.
Stephanie Lettgen, dpa - Bilder: © WDR/Thomas Kost