"Wenn man etwas erreicht, einen Popularitätsgrad oder einen gewissen Respekt", meint Götz Alsmann, "dann sagen alle, das ist ja kein Wunder, der hat an sich selber geglaubt. Aber ich muss sagen, mir sind auch Selbstzweifel überhaupt nicht fremd. Ganz im Gegenteil". Selbstzweifel haben den Musiker, Komponisten, Autoren, Produzenten, Moderator und Sänger gestärkt.
Eins vermeidet man am besten: Die Frage nach seiner Haartolle. Einen flapsigen Kommentar hat er aber immer auf den Lippen. Ansonsten bleibt der Entertainer keine Antwort schuldig, wenn es um seinen Beruf geht, den der gebürtige Münsteraner mit intensiver Lust und Leidenschaft betreibt. Er bietet erfrischende Eloquenz, gespickt mit unterhaltsamen Wortkreationen. Er jongliert mit Adjektiven und Substantiven, geht dem tieferen Sinn von scheinbaren Nonsenssätzen auf den Grund und wird zum Meister der Satzakrobatik. Sein verbales Feuerwerk rundet er mit musikalischem Talent und unverkrampftem Witz ab. Auf der Bühne, vor der Kamera und hinter dem Mikrofon ist er in seinem unvergleichbaren Element. Er eilt ans Piano, wühlt sich durchs Publikum und benutzt im nächsten Moment seine Ukulele als Waffe gegen Langeweile und Alltäglichkeit. Eigentlich ist der unter dem Sternzeichen Krebs geborene Künstler eher zurückhaltend und introvertiert und nicht vergleichbar mit der exorbitanten Fernsehfigur, die er in seinen bisherigen Unterhaltungsreihen verkörpert. "In dem Moment, wo die Kamera läuft", sagt er, "verliere ich fast alle Hemmungen, da mache ich Dinge, die ich im normalen Leben nicht tun würde."
Götz Alsmann sucht nach Ausdrucksmöglichkeiten. Nach einer ganz eigenen Nische. Nach einem Wiedererkennungswert. Er sucht etwas, was ihm aus der Seele spricht, was ihm Freude macht, auch dann noch, wenn er sich fortwährend damit beschäftigt. 1997 wird er dauerhaft fündig. Mit Schlagfertigkeit und deutschsprachigen Swingschlagern sorgt Götz Alsmann für kleine, feine Sternstunden der Unterhaltungskunst. Ein Ende ist nicht in Sicht. "Man muss einfach sagen", dass die Repertoireressourcen offensichtlich überwältigend sind, also die Erdölvorräte sind nichts dagegen". Seit seiner Jugend ist er ein sorgfältiger Sammler von populären, aber auch vergessenen Kostbarkeiten aus Schellack- und Notenarchiven. Er beginnt, Lieder zu entstauben. Er kennt auch die Einsamkeit des Sammlers, entschädigt wird er dafür ein paar Jahre später. "Als ich 16 war, da hat es funktioniert. Da war ich in der Schule bekannt wie ein bunter Hund mit meinem komischen Outfit, was ich trug und mit meiner Frisur und wurde dann Klassensprecher und war eine geachtete Persönlichkeit des schulischen Lebens".
Als Götz Alsmann sich den alten deutschen Schlagern widmet, sorgt er für eine Renaissance von Liedern, die Greta Keller und Bully Buhlan, Margot Hielscher und Gitta Lind interpretierten. Es sind jene Lieder mit Witz und Esprit, die Zeitgeschichte mit jazzigem Unterton vermittelten. "Ich liebe Schlager", sagt er, "weil sie etwas mit der Kultur des Landes zu tun haben, aus dem ich stamme. Franzosen haben ihre Chansonniers, Italiener ihre Cantautori und wir eben unsere Schlagersänger" Er verbindet auch Kindheitserinnerungen mit den aufpolierten Werken, die er sich zu eigen gemacht hat. Eine Episode als Achtjähriger fällt ihm ein: Mit seiner Mutter tanzte und hüpfte er durch die Küche, wenn im Radio "Letkiss" lief. Mit einer Melange aus Schalk im Nacken und einer liebevollen Zuneigung zum selbst Erlebten verleiht er dem damaligen Modetanz im Rahmen seiner Konzerte ein verschmitztes Revival. Zuhause ist er auch zwischen Tango, Mambo und Cha Cha Cha. Mit der Belebung des Jazzschlagers wird er in den 90er Jahren zum Wegbereiter von späteren Stars wie Roger Cicero und Tom Gäbel.
Das Besondere hat Götz Alsmann einzigartig gemacht. Von den Terminen, die sein Management aus zeitlichen Gründen absagen muss, könnten noch ein paar andere Entertainer gut leben. Der Mann im feinen Zwirn liebt Auffälliges. 2000 wird er Brillenträger des Jahres, später ernennt man ihn zum Krawattenmann des Jahres. Er fällt auf durch die Art, wie er sich gibt, wie er spricht und auch durch die Anekdoten über Titel, die er neu aufgenommen hat. Ein fundiertes Wissen zeichnet den überzeugten Familienvater aus. Der Musikwissenschaftler in ihm setzt sich durch. Autoren und Interpreten aus damaliger Zeit loben ihn für seine Interpretationen und für seinen hohen Unterhaltungswert. Mit einer erlesenen Riege von Altstars wie Bibi Johns, Greetje Kauffeld, Chris Howland und den Kessler-Zwillingen wagte der Nostalgiker vor ein paar Jahren eine Sommertournee, mit jüngeren Kollegen wie Annett Louisan und Jasmin Tabatabai singt er im Duett. Seine Alben heißen "Zuckersüß", "Filmreif", "Tabu", "Kuss", Mein Geheimnis" oder "Götz Alsmann in Paris". In seinen Liedern rauchen wir mit ihm Wasserpfeife, reiten durch den Wüstensand und räkeln uns auf Leopardenfellen. Wir lernen das Fräulein Mabel kennen, erfahren, was der Matrose mit dem Mädchen machte und wissen den kleinen Bären mit großen Ohren zu schätzen. Sein Repertoire reicht von Francoise Hardys "Wenn dieses Lied erklingt" über den Oldie "Es liegt was in der Luft" bis hin zu der rhetorischen Frage "Bin ich nicht ein wunderbarer Mann?". Wir antworten mit "ja".
Den Einzug in die Charts schaffte er schon vor Jahren und verweist internationale Bestseller immer wieder auf die Plätze. Das kommt dem ernsthaft arbeitenden und gleichzeitig augenzwinkernden Unterhaltungsgenie ebenso entgegen wie 2007 die Auszeichnung "Klavierspieler des Jahres" auf der Musikmesse in Frankfurt.
1977 beginnt Götz Alsmann an der westfälischen Wilhelms Universität neben Musikwissenschaft Germanistik und Publizistik zu studieren. Die Mischung macht es. 1985 schließt er seine Studien mit einer Dissertation über populäre amerikanische Musik ab. 1972 hat er schon seine erste Band gegründet mit drei "handgeschöpften" Langspielplatten. Seit 1980 taucht er mit der Gruppe Sentimental Pounders auf. Er spielt Klavier, Akkordeon, Banjo. Er redet laut, schnell und erfreulich gescheit. Mitte der 80er Jahre hören wir seine Stimme im Radio. Das Fernsehen wird auf ihn aufmerksam. Er schafft Wirkungskreise durch die Sendungen "Roxy", "Avanti" und durch die "NDR Spätshow". Man ahnt das Neue, eine Kultreihe bricht sich Bahn. 1996 beginnt Götz Alsmann mit Christine Westermann die Moderation der Sendung "Zimmer frei", in der er seine prominenten Gäste auf intelligente Weise neckt. Der Zuschauerkreis wächst. Der Adolf-Grimme Preis ist hochkarätig. Götz Alsmann erhält ihn im Jahre 2000. Zwanzig Jahre hievt er diese Reihe immer wieder auf den Sockel ungewöhnlicher Fernsehunterhaltung.
Köln wird immer wieder zum Ausgangspunkt für den innovationsfreudigen und vielseitigen Entertainer. In der Domstadt zelebriert er nicht nur die Sendung "Zimmer frei". Er bereichert auch die Ringfest-Jahre mit Konzerten im Mediapark, begleitet von legendären Kollegen wie Angele Durand und Evelyn Künneke, die ebenso wie Mary Roos und Peter Kraus an der Seite von Götz Alsmann seltenere Facetten ihrer Vortragskunst und ihres Repertoires zur Geltung bringen können.
Seit über zwanzig Jahren ist Götz Alsmann auch in Dauerschleife auf Tournee. Der überzeugte Selbstdarsteller, wie Götz Alsmann sich gerne selber nennt, absolviert rund 120 Auftritte mit seiner Band pro Jahr. Er wird Hörbücher produzieren, er stöbert weiterhin in Archiven und sucht nach Liedern, die älter sind als er und stöbert nach Perlen aus einer belebenden Musikkultur zwischen Klassik und Moderne. Der Tausendsassa genießt den umfangreichen Zuspruch, auf den er lange warten musste. Er ist gefragt. "Für die meisten in der Musikbranche liegen die besten Jahre zwischen Mitte 20 und Mitte 40", sagt Götz Alsmann. Auch hier hält der kontinuierliche Aufsteiger sich nicht an das Übliche. Am 12. Juli feiert er seinen 60. Geburtstag und weiß im Brustton der Überzeugung zu versichern, dass ihm das Alter nichts ausmacht. Ein neues Album gibt es übrigens bald. Die Reise wird nach Italien gehen, ins Mutterland der Canzone, der Tarantella und des mediterranen Schlagers. Eine Kostprobe gibt es am 1. September bei seinem Konzert auf Burg Wilhelmstein.
Horst Senker - Archivbild: Julien Claessen/BRF