Wer wissen will, wie die Ausstellungsstücke der Körperwelten entstehen, muss aufs Land fahren. In Guben, direkt an der polnischen Grenze und kaum zwei Stunden Autofahrt entfernt von Berlin, liegt Gunter von Hagens Plastinarium. Hier werden sowohl die Stücke für die Ausstellungen als auch wissenschaftliche Präparate für Universitäten auf der ganzen Welt hergestellt. Und dabei kann man den Mitarbeitern in Guben von Anfang bis Ende auf die Finger schauen.
Um den BRF-Rundgang durch die Kulissen der Körperwelten hat sich Rurik von Hagens gekümmert. Er ist der Sohn des Körperwelten-Erfinders Gunther von Hagens und quasi mit der Ausstellung groß geworden. Von da an waren die Körperwelten nicht mehr aufzuhalten. Bis heute sind sie das einträglichste Standbein des Unternehmens. "Ohne die Ausstellung wäre der Aufbau des Plastinariums gar nicht möglich gewesen", sagt auch Rurik von Hagens. Heute arbeiten in Guben 220 Mitarbeiter.
Die Körper, die in Guben plastiniert werden, stammen aus dem hauseigenen Spendenprogramm. Über 15.000 Freiwillige haben sich hier registriert, um ihren Körper nach ihrem Tod den Ausstellungen oder der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Damit sind die Körperwelten wohl das erfolgreichste, medizinische Aufklärungsprojekt unserer Zeit. Anatomie zum Anfassen - möglich gemacht durch eine einzigartige Methode, menschliches Gewebe zu erhalten: Die Plastination.
Die Geschichte der Plastination beginnt 1977. Gunther von Hagens - damals noch Assistenzarzt in Heidelberg - entwickelt ein Verfahren, das organisches Gewebe quasi unbegrenzt haltbar macht. Vorher konnte man Präparate nur konservieren, indem man sie in Flüssigkeit einlegte oder mit Kunststoff umhüllte. Bei der Plastination kommt der Kunststoff hingegen direkt in das Gewebe. Alle Körperflüssigkeiten werden durch Plastik ersetzt. Das macht die Herstellung der Präparate zwar aufwändiger und teurer, aber die Resultate sind auch wesentlich detaillierter und beständiger als bei anderen Methoden.
Um einen ganzen Körper zu plastinieren braucht es viele Arbeitsstunden und mindestens ein Jahr Zeit. Nach der Ankunft der Leichen wird deshalb erstmal der Verwesungsprozess gestoppt, indem die Körper in Formalin eingelegt werden. Unmittelbar danach geht es an die Präparation. Hier werden die Stücke mit Fachkenntnis und viel Geduld von überflüssigem Gewebe befreit.
Die Präparation ist auch eine gute Gelegenheit, mehr über Anatomie zu lernen. Zum Beispiel für Medizinstudenten, die regelmäßig in Guben Praktika absolvieren. "Ich löse hier die Nerven, die in weiß, von den blauen Venen und den roten Arterien. Das muss alles sauber getrennt werden und wenn das gemacht ist, können wir weiter sezieren", erklärt Michael Pears, Medizinstudent aus Virginia. Diese Erfahrungen sind für Medizinstudenten nicht selbstverständlich.
Nach der Präparation beginnt dann der Plastinationsprozess. Wieder und wieder werden die Präparate in Azeton gebadet. Bei -25 Grad Celsius ersetzt das Lösungsmittel das Wasser im Körper, bei Raumtemperatur das Fett. Weil es hochexplosiv ist, müssen die Kühltruhen mit Plexiglas vor Funken oder statischen Entladungen geschützt werden. Nach mehreren Wochen im Bad spritzen Mitarbeiter dann noch zusätzliches Azeton in das Gewebe, um alle Fasern vollständig zu umschließen. Im nächsten Schritt wird das Azeton dann unter Vakuum durch Kunststoff ersetzt. Das ist das eigentliche Geheimnis der Plastination, denn nur so werden die Präparate haltbar.
In einem letzten Schritt bringen die Mitarbeiter die Präparate dann in Form, bevor sie mithilfe von Licht, Gas oder Wärme ausgehärtet werden. Wie genau die einzelnen Stücke am Ende aussehen, wird von den Ausstellungsmachern vorgegeben. Die Posen sollen Aufmerksamkeit erregen, haben aber auch einen wissenschaftlichen Hintergrund. Allerdings sind es auch gerade diese Posen, die die Ausstellung besonders in Deutschland auch immer wieder in die Kritik bringen. Besonders die Darstellung von Mann und Frau beim Geschlechtsverkehr wurde immer wieder in den Ausstellungen verboten. Zu spektakulär finden manche, und den Toten gegenüber unwürdig.
Und egal, welches Argument am Ende schwerer wiegt. Fakt ist, dass die Arbeit Gunther von Hagens nach wie vor riesige Menschenmassen für Anatomie begeistert und damit auch einen Beitrag zur gesundheitlichen Aufklärung leistet. Wissenschaftlich korrekte Arbeit als Geschäftsmodell: Eine Gratwanderung, der die Körperwelten ihr Leben verschrieben haben.
Über 40 Millionen Menschen weltweit haben die faszinierende Anatomieschau bereits gesehen. Ab Mitte Juli kann man sich in Aachen selbst ein Bild machen. Ab dem 13. Juli kommt die Schau "Körperwelten - Eine Herzenssache" ins "Aachener Event Center". Mehr Infos zu Tickets und Preisen gibt es im Netz unter koerperwelten.com.
Schwerpunktthema der Ausstellung ist unser Herz, Motor des Lebens. Das Pumporgan sorgt mit einer unglaublichen Leistungsfähigkeit unermüdlich dafür, dass unser Körper stets mit frischem Blut versorgt wird - tagein, tagaus. Dabei vollbringt es beeindruckende mechanische Leistungen wie kein zweites Organ: Etwa 90.000 Mal pumpt das Herz am Tag und schleust dabei mehr als 5.000 Liter Blut durch unseren Kreislauf. Doch ist es weit mehr als nur eine reine Blutverteilungs-Maschine: Es steht auch in sehr enger Verbindung mit unserem Gefühlsleben. Herz und Psyche sind untrennbar miteinander verbunden. "Wir haben etwas auf dem Herzen", "schließen jemanden ins Herz", sind "ein Herz und eine Seele" oder hatten schon einmal "das Herz gebrochen". Kein anderes menschliches Organ hat für uns eine derart komplexe Bedeutung, die über die körperliche Funktion weit hinausgeht.
Umso wichtiger ist es, dieses zentrale Organ regelmäßig zu pflegen, denn Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in der Bevölkerung weit verbreitet. 80 Prozent der Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstehen durch Verhaltensweisen, die wir selbst beeinflussen können. Jeder von uns kann ganz konkret etwas tun, um sein Herz gesund und fit zu halten.
Text und Bilder: Anne Kelleter/BRF