Sogar für den Weg ist gesorgt. Genau neun Minuten und neun Sekunden dauert es durchschnittlich, um vom Metropolitan Museum am New Yorker Central Park zum früheren Whitney Museum an der Madison Avenue zu laufen. Das hat die Verwaltung des Metropolitan Museums ausgemessen und den Pulitzer-Preis-gekrönten Komponisten John Luther Adams mit einem neun Minuten und neun Sekunden langen Stück beauftragt.
Jetzt können Besucher in Begleitung von Adams' Klangcollage aus New York-Sounds die acht Straßenblocks nach Süden laufen - um dann das frühere Whitney Museum zu besuchen, das am kommenden Freitag (18. März) als Außenstelle des Metropolitan Museums unter dem Namen "MetBreuer" neu eröffnet.
Von einem "bedeutenden Augenblick für die ganze Stadt" spricht Thomas Campbell, der Direktor des Metropolitan Museums, bei einer Vorabbesichtigung des neuen Museums im alten Gebäude. "Das hier ist ein Meisterwerk der Architektur aus der Mitte des Jahrhunderts, und wir werden es mit einem neuen kuratorischen Geist reaktivieren und es auf neue Art und Weise in die kulturelle Struktur New Yorks weben."
Das Metropolitan Museum, das stets stolz auf seine "Kunst aus mehr als 5000 Jahren und allen Ecken der Welt" verweist und mit den Cloisters ganz im Norden Manhattans bereits eine Außenstelle für mittelalterliche Kunst betreibt, will mit dem "MetBreuer" zeigen, dass es auch moderne und zeitgenössische Kunst kann. Die Auftaktausstellung "Unfinished: Thoughts Left Visible" zeigt auf zwei Etagen unvollendete Kunstwerke aus den vergangenen sechs Jahrhunderten und könne so wohl nur vom "Met" geboten werden, schwärmt Kuratorin Sheena Wagstaff. Außerdem ist die bislang umfangreichste Werkschau der indischen Künstlerin Nasreen Mohamedi (1937-1990) zu sehen.
Aber schon der Name des neuen alten Museums verrät auch den Fokus auf die Architektur: Marcel Breuer (1902-1981), in Ungarn geborener, am Bauhaus in Deutschland ausgebildeter und dann vor den Nationalsozialisten in die USA geflüchteter Architekt, entwarf den Museumsbau in den 60er Jahren. Der brutalistische Betonkubus gilt als sein Meisterwerk. Mit viel Aufwand und geschätzten Kosten von rund 15 Millionen Dollar (etwa 13,6 Millionen Euro) hat das Metropolitan Museum den Bau renoviert.
Fast alles ist dabei beim Alten geblieben oder zu Breuers Ursprüngen zurückgekehrt - nur das Dach des Eingangstores erstrahlt neuerdings in "Met-Rot", einer Farbe, die sich das Metropolitan Museum jüngst im Rahmen einer viel kritisierten neuen Image-Kampagne selbst verliehen hat. Experten feiern die Renovierung. "Seit der Eröffnung 1966 sah es wahrscheinlich nie besser aus", sagte Adam Weinberg, Direktor des Whitney-Museums, der "New York Times". "Sie haben es wirklich gesäubert und frischer gemacht."
Die New Yorker lieben den Breuer-Bau. Voller Wehmut und Nostalgie schlichen Tausende von ihnen im Herbst 2014 durch das Gebäude, bevor das auf US-amerikanische Kunst spezialisierte Whitney Museum nach fast 50 Jahren seine Türen an der noblen Upper East Side schloss. Die Öffnungszeiten waren am letzten Wochenende extra bis weit nach Mitternacht verlängert worden. Inzwischen haben sich die New Yorker auch an den anfangs als "Krankenhaus" verschrienen 400 Millionen Dollar teuren Neubau des Whitney von Star-Architekt Renzo Piano im Szene-Viertel Meetpacking District gewöhnt.
Aber sie hängen am Breuer-Bau. Kosmetik-Mogul und Kunstsammler Leonard Lauder sogar so sehr, dass er dem Whitney 131 Millionen Dollar gab mit der Bedingung, das Gebäude nicht zu verkaufen, sondern dem Metropolitan Museum unter günstigen Bedingungen zu vermieten. Der Vertrag gilt für acht Jahre - doch die Frage bleibt: Was dann? Wird das Metropolitan Museum das "MetBreuer" weiter betreiben können?
Ist es die 17 Millionen Dollar Betriebskosten pro Jahr wert, wo das Museum doch auch gerade für 600 Millionen Dollar seine Abteilung für zeitgenössische Kunst im Hauptgebäude umbaut und vergrößert und für dieses Jahr schon einen Verlust im Budget prognostiziert hat? Oder wird das Whitney Museum seinen Breuer-Bau wieder zurücknehmen und zusätzlich zum neuen Gebäude betreiben? Abwarten, sagt Lauder. "In zwei, drei oder vier Jahren werden alle wirklich wissen, was sie machen müssen, und dann werden wir darüber reden."
Von Christina Horsten, dpa - Bild: Don Emmert/AFP