Einen beschwingten und lehrreichen Spaziergang durch das goldene Zeitalter der europäischen Kultur bietet das Londoner Victoria & Albert Museum (V&A) in sieben neu gestalteten Galerien, die an diesem Mittwoch (9. Dezember) eröffnet werden.
Die Europe Galleries 1600-1815 sind das Herzstück eines ehrgeizigen Zukunftsplans zur Modernisierung und Umgestaltung des beliebten Kunst- und Design-Museums. Sie beherbergen rund 1100 Objekte aus dem beispiellosen Schatz des Museums, von denen stattliche 20 Prozent wegen bisherigen Platzmangels erstmals zu sehen sind.
Museumsdirektor Martin Roth sieht darin eine "wunderbare Chance", in einer für Europa gegenwärtig politisch schwierigen Zeit das "zutiefst europäische" gemeinsame Kulturerbe zu erklären. "Jeder, der heute darüber nachdenkt, was Europa ist, kann hier die Geschichte sehen", sagt der Deutsche.
Begrüßt wird der Besucher von der gigantischen Skulptur "Neptun und Triton", die der italienische Bildhauer Gian Lorenzo Bernini um 1620 schuf. "Neptun verkörpert den Beginn des Barock-Stils", erläutert Kuratorin Lesley Miller die Auswahl. Weiter geht die chronologische Entdeckungsreise durch Barock, Rokoko, Aufklärung und Empire-Stil mit prachtvollen Möbelstücken, Uhren, Textilien, Gemälden, Porzellan, Glas und Hofmode von Ludwig XIV. bis Napoleon.
Platz zum Verschnaufen
Abseits der durchgehend angelegten großen Galerien kann der Besucher in drei kleinere Nebenräume abtauchen, in denen prächtig dekorierte Schlafzimmer, Salons und Musikzimmer aus französischen Schlössern rekonstruiert sind. Ledersofas und Liebesbänke laden den Betrachter zum "Verschnaufen" ein, wie Miller sagte. Eine Vitrine mit blitzenden Jagdgewehren ist exakt so positioniert, dass ihre Läufe auf das Gemälde eines erlegten Hirsches zielen.
Für die interaktive Teilnahme junger Besucher ist gesorgt. Filme, Rätsel und digitale Fragespiele beziehen ihn ein. Wer Lust hat, kann der Aufforderung eines Harlekins beim Maskenball folgen, seine Tanzschritte nachzuahmen und eine Bewertung seiner Bemühungen erhalten.
Der gegenseitige Kulturaustausch mit fernen Ländern im Zuge von Handel und Kommerz ist ein Schwerpunkt. Als Höhepunkt unter den Exponaten gilt ein vier Meter langer Tischbrunnen aus Meissner Porzellan, der Mitte des 18. Jahrhunderts von Heinrich Graf von Brühl am sächsischen Hof in Dresden in Auftrag gegeben wurde. Das extravagante Stück, aus dem seinerzeit zur Unterhaltung der Gäste wohlriechendes Rosenwasser sprudelte, gelangte um 1870 in die Sammlung des V&A. Es war in mehr als 150 Stücke zerlegt. "Es sah nach nichts mehr aus", sagte Chefrestaurateur Reino Liefkes. In Gemeinschaftsarbeit mit Fachleuten in Dresden wurde das Stück eigens für die Neueröffnung wiederhergestellt.
Als Teil der permanenten Sammlung ist der Zugang zu den neuen Galerien für den Besucher frei. Die Kosten der fünfjährigen Umgestaltung der gesamten Vorderseite des Museums wurden auf 12,5 Millionen Pfund (17,3 Millionen Euro) beziffert. Die Entfernung von Zwischendecken und Fensterverkleidungen sorgte für mehr Raum und Licht, die Ausstellungsfläche wurde um ein Drittel auf 1550 Quadratmeter erhöht. Obwohl prall gefüllt, erscheinen die Räume nicht überladen. In den Europe Galleries werde reichhaltige Geschichte in einem modernen Rahmen präsentiert, hieß es im V&A.
Von Anna Tomforde, dpa - Bilder: Leon Neal/AFP