Eigentlich hatte Bartomeu Marí dem Museum für zeitgenössische Kunst (Macba) in Barcelona Scherereien ersparen wollen. Der Direktor der angesehenen Pinakothek hielt eine Skulptur der Österreicherin Ines Doujak für anstößig und wollte das Werk aus einer Ausstellung entfernen lassen, die das Museum zusammen mit dem Württembergischen Kunstverein Stuttgart (WKV) produziert hatte. Der Macba-Chef bewirkte jedoch genau das Gegenteil. Er handelte sich und dem Museum großen Ärger ein.
Die Kuratoren weigerten sich, die umstrittene Skulptur aus der Gruppenausstellung unter dem Titel "Die Bestie und der Souverän" herauszunehmen. Daraufhin sagte Marí kurzentschlossen die gesamte Schau am Tag der geplanten Eröffnung ab. Dies brachte dem Macba-Direktor jedoch in der spanischen Kunstwelt den Vorwurf der Zensur ein. Drei Tage später machte er einen Rückzieher.
Am Samstag wurde die Ausstellung dann doch für das Publikum geöffnet - einschließlich des umstrittenen Werkes "Not Dressed for Conquering" (Nicht gekleidet für Eroberungen). Die Doujak-Skulptur zeigt einen nackten, auf rostigen Stahlhelmen hockenden Mann in einem sexuellen Akt mit einer bolivianischen Aktivistin und einem Schäferhund. Der Mann weist eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem früheren spanischen König Juan Carlos auf.
Marí hielt das Werk zunächst für ein "unangemessenes Ausstellungsstück". Vielleicht hat er dabei auch daran gedacht, dass die Ehefrau von Juan Carlos, die spanische Ex-Königin Sofía, die Ehrenpräsidentin der Macba-Stiftung ist.
Die Kuratoren Iris Dressler, Hans D. Christ, Paul B. Preciado und Valentín Roma bezeichneten die Absage der Ausstellung als einen "Akt der Zensur". "Wir sind davon überzeugt, dass die Bedeutung von Kunstwerken eine Frage der öffentlichen Interpretation ist und nicht im Vorfeld eindimensional festgelegt werden kann", betonten sie in einer gemeinsamen Erklärung.
Der Museumsdirektor nahm sich die Welle der Proteste, die er mit der Absage der Schau ausgelöst hatte, zu Herzen. Er revidierte seine Entscheidung, bat um Entschuldigung und bot der Macba-Trägergesellschaft seinen Rücktritt an.
Die Ausstellung befasst sich mit verschiedenen Ausprägungen von Souveränität. Die beteiligten Künstler stellen diese in unterschiedlicher Weise infrage. Das Doujak-Werk befasse sich mit der Figur des weißen Mannes sowie postkolonialer und sexueller Ausbeutung, erläuterten die Kuratoren. Es greife auf Traditionen von Parodie, Karikatur und Karnevalsfiguren zurück.
Preciado stellte in der Zeitung "El País" die Frage: "Was macht es für einen Sinn, sich für die Meinungsfreiheit einzusetzen und die Satire-Zeitschrift 'Charlie Hebdo' zu unterstützen, dann aber eine Ausstellung abzusagen, weil sie eine Karikatur zeigt, die dem spanischen Ex-König ähnlich sieht?"
Von Hubert Kahl, dpa - Bild: Lluis Gené/AFP