Das Tutanchamun-Fieber steckte in den 1920er Jahren, den Roaring Twenties, alle an: Pariser Modehäuser verzierten ihre Kreationen mit handgestickten Mustern aus dem alten Ägypten, Top-Juweliere entwarfen Diamanten-Broschen mit dem Glückskäfer Skarabäus. Liebesromane über den jungen Pharao ("Der Kuss des Pharaos") schossen aus dem Boden, in den USA wurde der Charleston zu der Melodie von "King Tut" getanzt.
Der britische Archäologe Howard Carter hatte 1922 das Grab des vor über 3000 Jahren verstorbenen Herrschers im Tal der Könige in Luxor entdeckt. Eine Ausstellung im Ashmolean-Museum in Oxford dokumentiert die Geschichte der Entdeckung und die Auswirkungen auf die kulturellen Strömungen der damaligen Zeit. "Die Faszination dauert an, das Erbe lebt fort", sagt Chefkurator Paul Collins.
Nach seinen Worten ist die Universität Oxford besonders geeignet, die Geschichte der Entdeckung noch einmal zu erzählen. Das ihr angeschlossene Griffith-Institut beherbergt mehr als 5300 Objekte, Fotos und Dokumente, die seinerzeit von dem Künstler und Archäologen Howard Carter und seinem Forscherteam sorgfältig gesammelt, registriert und verwahrt wurden.
Der 75. Jahrestag der Gründung des Instituts sei Anlass, zahlreiche Funde erstmals der Öffentlichkeit zu präsentieren. Bisher seien nur etwa 30 Prozent der in der Grabkammer gefundenen Objekte gründlich analysiert worden, so Collins. "Wir meinen, über Tutanchamun alles zu wissen, aber wir wissen im Grunde gar nichts", sagte Collins auf einer Pressekonferenz. Die Ausstellung solle deshalb auch ein Appell an die junge Generation sein, die Forschungsarbeit fortzusetzen. Dennoch, ohne die akribische Dokumentation, Konservierung und Nummerierung durch Carter und seinen Kollegen und Förderer George Herbert (Lord Carnarvon) wäre nur etwa ein Zehntel dessen bekannt, was die Welt heute über Tutanchamun weiß, schätzt Collins.
Erstmals öffentlich zu sehen sind Skizzen, Zeichnungen und Tagebucheinträge des Teams während der zehn Jahre dauernden Ausgrabungen. Carter, der Künstler und Maler war, ehe er sich der Archäologie zuwandte, hielt alles Gesehene und Gefundene schriftlich fest und markierte sogar die Farben der Objekte auf den Schwarz-weiß-Aufnahmen des berühmten Fotografen Harry Burton. Leihgaben aus den USA, britischen Museen und dem Neuen Museum in Berlin sind darunter - aber nicht aus Ägypten. Der Besucher wird daran erinnert, dass die Schätze aus ägyptischen Museen zuletzt auf ihrer weltweiten Tour 1972 außerhalb des Landes zu sehen waren, und nur sehr wenige künftig transportfähig sein werden.
Schmuck und Kleidung, die in den 1920er und 1930er Jahren den alten Ägyptern nachempfunden wurden, sind ausgestellt. Die "Hände einer Königlichen Doppelstatue", die Nachbildung der Gold-verzierten Totenmaske von Tutanchamun und eine vergoldete Couch aus dem Vorzimmer der Grabkammer gehören zu den Austellungsstücken. "Grabkammer unterhalb des Grabs von Ramses VI gefunden und untersucht, Siegel intakt", schrieb Carter am 5. November 1922 in sein Tagebuch. Rund zwei Wochen später, bei einer ersten Öffnung der Kammer, berichtete er, "wunderbare Dinge" zu sehen, und überall glitzerndes Gold. Ein Foto zeigt das Forscherteam am gedeckten Mittagstisch in der Grabkammer.
"Sie waren nicht nur Schatzgräber, sondern auch Gelehrte", sagte der heutige Lord Carnarvon, ein Urgroßenkel des Forschers, im Ashmolean. Er spielte damit auf die Spannungen mit den ägyptischen Behörden an, die 1924 vorübergehend zu einer Unterbrechung der Ausgrabungen führten. Dokumentiert wird der Ärger der 1922 unabhängig gewordenen ägyptischen Regierung über die mangelnde Einbeziehung der Ägypter in die Ausgrabungsarbeiten, und insbesondere gegen den Verkauf der Foto-Exklusivrechte an die Londoner "Times", die Lord Carnarvon ausgehandelt hatte. Der Deal musste rückgängig gemacht werden.
Von Anna Tomforde, dpa - Bild: Mike Nelson/AFP