Eine abstrakte, autonome Kunstwelt als Ausdruck einer neuen Weltordnung - das war die Utopie der russischen Avantgarde. Ihre künstlerische Revolution vollzog sich im vor- und nachrevolutionären Russland von 1905 bis Ende der 1920er Jahre. Die jungen Künstler waren von der Idee einer klassenlosen Gesellschaft begeistert.
Wichtigster Impulsgeber dieser Avantgarde war Kasimir Malewitsch mit seinem geometrisch-abstrakten, von ihm selbst als Suprematismus bezeichneten Stil. Die Bundeskunsthalle in Bonn gibt einen umfassenden Einblick in das Werk von Kasimir Malewitsch. Nach Amsterdam und vor London, wo die Schau in der Tate Modern noch gezeigt wird.
Die Bonner Ausstellung begrüßt die Besucher mit dem "Selbstporträt in zwei Dimensionen" aus dem Jahr 1915. Auf dem Bild ist Kasimir Malewitsch allerdings nicht unbedingt zu erkennen. Aber der Suprematismus - die gegenstandslose Kunst - ist eben eines der Stilmittel, das für den 1879 in Kiew geborenen und 1935 in Moskau gestorbenen russischen Maler typisch ist.
Die Bonner Ausstellung zeigt zahlreiche Leihgaben aus den bedeutenden Sammlungen russischer Avantgarde-Kunst von Nikolaj Chardschijew und George Costakis, in denen Malewitsch eine zentrale Rolle einnimmt. Auch das Russische Museum in St. Petersburg stellte erstklassige Malewitsch-Werke zur Verfügung. Die mehr als 300 Gemälde, Grafiken und Skulpturen haben die Ausstellungsmacher in 13 Werkgruppen zusammengefasst. "Malewitschs künstlerisches Oeuvre entwickelte sich im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Figuration", heißt es im Programmheft.
In der Auseinandersetzung mit Impressionismus, Symbolismus und Kubismus erreichte er seine eigenständige suprematistische Ästhetik und Theorie. Beispiel dafür ist das "Rote Quadrat" aus dem Jahr 1915, ein Schlüsselwerk der Bonner Ausstellung. Später allerdings wendete er sich wieder figurativen Motiven zu.
Natürlich wird in der Schau auch Malewitschs enger Bezug zur traditionellen altrussischen Ikonenmalerei dokumentiert. Gerade in seinen suprematistischen Kompositionen, die sich gänzlich auf die Anordnung geometrischer Formen konzentrieren, greift er offenkundig Bildmuster der religiösen Ikonen auf. Klassische Elemente wie etwa das Kreuz, aber auch eine bestimmte Farbsymbolik belegen die Nähe der russischen Tradition.
Sein weitreichender Einfluss - als Theoretiker wie auch als Künstler - wird auch in der Zusammenschau mit Werken bedeutender Zeitgenossen, wie El Lissitzky, Michail Larionow, Wladimir Tatlin, Gustav Klucis und anderen deutlich. Bis zum 22. Juni kann die Ausstellung in Bonn besucht werden.
mitt/dpa/rkr