Mehr als 190 Millionen Euro und 13 Jahre Krisenmanagement: Die Kosten und das lange Warten auf das Museum für Zivilisationen Europas und des Mittelmeers im südfranzösischen Marseille haben sich gelohnt.
Das MuCEM, so die Kurzversion des sperrigen Namens "Musée des civilisations de l'Europe et de la Méditerranée", ist in seiner Bestimmung nicht nur das erste weltweit, wie MuCEM-Präsident Bruno Suzzarelli stets betont. Auch seine Architektur ist einzig.
Das Museum, das ab Freitag (7. Juni) für Besucher geöffnet sein wird, verdient einen Superlativ: Mit dem MuCEM besitzt Marseille eines der schönsten Museen Frankreichs. Es liegt direkt am Meer.
Selten hat ein Museum für so viel Begeisterung gesorgt. "Toll" und "sensationell" waren die am häufigsten gebrauchten Adjektive bei den Pressebesichtigungen zu Beginn der Woche. Auch Frankreichs Staatspräsident François Hollande, der am Dienstag in Marseille das größte Containerschiff unter französischer Flagge in Marseille taufte, war bei der Besichtigung des MuCEM von der Architektur beeindruckt.
Kreation von Rudy Ricciotti
Ein mit einem filigranen Betonnetz überzogener Glasquader, eine massive Festung aus dem 12. Jahrhundert und eine über dem Meer schwebende Brücke, die beide Gebäude miteinander verbindet: Mit dem mehr als 31.000 Quadratmeter großen MuCEM ist dem französischen Architekten Rudy Ricciotti sein beeindruckendstes Projekt gelungen. Die Idee entstand im Jahre 2000. Geldnöte und politische Querelen stellten die Eröffnung des Museums mehrmals infrage. Die Ernennung von Marseille zur Kulturhauptstadt 2013 diente dagegen als Katalysator.
Das Projekt hat den 60 Jahre alten Baumeister elf Jahre lang beschäftigt. "Ich nenne diesen Entwurf gern eine Architektur der Schwierigkeit des Seins", sagte er. Ricciotti musste ein Museum schaffen, das der massiven mittelalterlichen Festung Saint Jean Paroli bieten konnte und sich gleichzeitig dem Meer hin öffnete. Das Museum gleiche dem Körper eines äthiopischen Athleten und der Weiblichkeit einer Badenden von Ingres, beschreibt Ricciotti die Mischung aus der renovierten Burg und dem luftigem Glasneubau.
Mischung aus Kunst- und Ethnologie-Museum
Einen besseren Standpunkt als die Hafenstadt Marseille hätte Frankreich für sein neues Prestigemuseum nicht finden können. Dafür wurde 2005 das Pariser Museum für Volkskunst geschlossen und seine Bestände sowie Teile der Pariser Sammlungen des Völkerkundemuseums in die südfranzösische Stadt verlagert. Ein Umzug, der damals für heftige Polemik sorgte.
Zur Eröffnung werden mehrere Ausstellungen gezeigt, darunter eine über die Erfindung und Verbreitung der Landwirtschaft im Mittelmeergebiet und eine über die Geschichte des Mittelmeerraums. Bei dieser werden anhand von mehr als 150 Fotografien, Videoauszügen und Gemälden die Schatten- und Lichtseiten der Historie verdeutlicht, angefangen von den Eroberungszügen Napoleons über die französische Invasion Algeriens bis hin zu den Ereignissen des arabischen Frühlings.
"Unsere Ausstellungen werden die Besucher überraschen, die entweder ein Museum für schöne Künste erwarten oder ein Museum für Ethnologie. Wir werden eine Mischung aus beidem zeigen", sagte MuCEM-Präsident Suzzarelli. Doch oberstes Ziel sei es zunächst, über die Architektur und die Lage des neuen Museums die Lust an der Kultur zu wecken. Das könnte durchaus gelingen.
Von Sabine Glaubitz, dpa - Bild: Anne-Christine Poujoulat, afp