Mit einer Razzia hat die russische Ausländerpolizei die Gerichtsshow "Die Moskauer Prozesse" um die Freiheit der Kunst des Schweizer Regisseurs Milo Rau am Sonntag für mehrere Stunden unterbrochen. Vier Uniformierte in den weinroten Westen des Migrationsdienstes kamen unerwartet in das Sacharow-Zentrum in Moskau und überprüften die Papiere von Rau. Der Regisseur sprach von "absurden Vorwänden" und einer "mühsamen Unterbrechung". "Das zeigt, wie es ist", sagte Rau der Deutschen Presse-Agentur.
In seiner Show befasste er sich auch mit dem international umstrittenen Gerichtsverfahren gegen die kremlkritische Frauenpunkband Pussy Riot. Zwei Künstlerinnen der Gruppe sitzen im Straflager. Auch Kosaken, die für eine Ordnung nach zaristischer und russisch-orthodoxer Tradition eintreten, störten die Vorstellung. Später sorgten Einsatzkräfte der Sonderpolizei OMON für Ruhe bei der Veranstaltung, wie Medien berichteten.
Vorgehen der Mitarbeiter der Ausländerbehörde unverhältnismäßig
Die in der Gerichtsshow anwesenden Juristen kritisieren das Vorgehen der Mitarbeiter der Ausländerbehörde als unverhältnismäßig. Dagegen verteidigte der Migrationsdienst den Sonntagseinsatz. "Herr Rau ist mit einem Geschäftsvisum nach Russland eingereist, das nicht für eine Erwerbs- oder Journalistentätigkeit gilt", sagte der Vizechef des Migrationsdienstes in Moskau, Sergej Kaljuschny. Der Regisseur sei nur verwarnt, nicht aber mit einer Geldbuße belegt worden, sagte er der Agentur Interfax zufolge.
Rau sprach von einem fast typischen Vorfall bei für den Staat unliebsamen Kunstprojekten. "Da werden immer legale Sachen herbeigezogen", sagte der 36-Jährige. Nach Angaben seiner Anwälte hatte Rau es versäumt, sich nach der Einreise registrieren zu lassen.
Vor der Razzia war das auf Bewährung aus der Haft entlassene Pussy-Riot-Mitglied Jekaterina Samuzewitsch bei dem Spektakel zu Wort gekommen. Dabei trat die 30-Jährige erneut für das Recht auf freie Meinungsäußerung ein. Ihre Mitstreiterinnen Nadeschda Tolokonnikowa (23) und Maria Aljochina (24) waren 2012 nach einem Auftritt in einer Moskauer Kirche zu je zwei Jahren Lagerhaft verurteilt worden.
Aus Furcht vor Attacken zum Beispiel konservativer Gläubiger hatten die Veranstalter das Sacharow-Zentrum bewachen lassen, zunächst nur von einem privaten Sicherheitsdienst. In der dreitägigen Show, die am Sonntag zu Ende ging, geht es auch darum, ob Kunst- und Meinungsfreiheit über den Interessen der Kirche stehen. Die Performance ist Teil eines Großprojekts, das Rau im Herbst in Weimar begonnen hatte. Im Juni endet es in Raus Geburtsort Bern mit der Uraufführung eines Dokumentarfilms.
Ulf Mauder, dpa/sh - Bild: Andrey Smirnov (afp)