Mit einer Aufführung des "Jedermann" haben die Salzburger Festspiele vor 100 Jahren begonnen - am 22. August 1920. "Jedermann" ist die Geschichte vom Leben und vom Tod und von der Läuterung und der Erkenntnis, dass alles Irdische vergänglich ist und das Streben nach schnödem Mammon nichts einbringt.
Eigentlich wollte man ein Salzburger Theaterstück zum Beginn der Salzburger Festspiele aufführen, aber das war nicht fertig geworden. So haben die Gründerväter Max Reinhard und Hugo von Hofmannsthal sich auf den "Jedermann" besonnen. Der hatte schon 1911 seine Uraufführung im Zirkus Schuhmann in Berlin gehabt.
Seit einigen Jahren spielt Peter Lohmeyer den unnachsichtigen Tod, eindrucksvoll auf hohen Schuhen und am ganzen Körper tätowiert. Mit dem Salzburger Dom als Kulisse wird die Inszenierung zu einem bewegenden Erlebnis. Max Reinhardt hat mit voller Absicht den Domplatz als Spielstätte ausgesucht. Von der Wirkung schwärmt auch Robert Kainar - er gehört zum musikalischen Jedermann-Ensemble. Für ein Handicap bei diesem Spiel kann aber der Wettergott sorgen, denn bei schlechtem Wetter findet die Aufführung nicht draußen statt, sondern im Festspielhaus.
Tobias Moretti spielt in diesem Jahr zum letzten Mal den "Jedermann". Nach einem ausschweifenden Leben ohne Nächstenliebe bekennt dieser sich zu Gott. Im Publikum sitzen Dauergäste neben Leuten, die den "Jedermann" zum ersten Mal erleben und jeder fühlt sich in irgendeiner Weise angesprochen.
Horst Senker