"Aus Mangel an Begabung" flog Armin Mueller-Stahl einst von der staatlichen Schauspielschule in Ost-Berlin. Aber es klappte auch so. Der Sohn eines ostpreußischen Bankangestellten schaffte es zum beliebtesten Schauspieler der DDR und später zum international renommierten Aushängeschild Deutschlands in Hollywood. Für seine Rolle in dem Musikerdrama "Shine" wurde er 1997 mit einer Oscar-Nominierung geehrt.
Am Donnerstag (17. Dezember) wird der Charakterdarsteller 85 Jahre alt - und hat sich trotz seines Ruhms weitgehend von der Leinwand verabschiedet. "Langsam übernimmt die Malerei mein Leben", schreibt er in seiner Autobiografie "Dreimal Deutschland und zurück" (2014). "Beim Malen erlebe ich die Momente, in denen ich wirklich fliegen kann."
Unvergessen bleiben gleichwohl grandiose Auftritte wie etwa der in Heinrich Breloers Fernseh-Dreiteiler "Die Manns" (2001). Er spielte den hanseatisch unterkühlten Schriftsteller Thomas Mann so dicht und authentisch, dass ihn später Menschen auf der Straße mit "Herr Mann" anredeten.
Dabei hatte der gebürtige Tilsiter eigentlich Musiker werden wollen. In einer künstlerisch begabten Familie aufgewachsen, studierte er in Ost-Berlin zunächst Musikwissenschaft und ließ sich als Konzertgeiger ausbilden, bis ihm das pedantische Üben zunehmend gegen den Strich ging. Er wechselte zur Schauspielerei - "die einfachste Art, Brötchen zu verdienen", wie er fand.
Fast 25 Jahre gehört er beim Berliner Theater am Schiffbauerdamm und später bei der Volksbühne zum Ensemble. In Film und Fernsehen avanciert er mit Werken wie "Königskinder" (1962), "Nackt unter Wölfen" (1963) und "Tödlicher Irrtum" (1970) zum absoluten Publikumsliebling der DDR. Zum Bruch kommt es, als er 1975 seine Rolle als charmanter Ost-James-Bond in der beliebten TV-Serie "Das unsichtbare Visier" aufkündigt - ein Affront gegen die SED-Oberen.
Übersiedelung nach West-Berlin
Als er kurz darauf auch noch die Resolution gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann unterschreibt, bekommt er für drei Jahre kaum mehr Rollen. Seine Übersiedelung nach West-Berlin 1980 muss er mit einem Brief an Erich Honecker buchstäblich erbetteln. "Ich bitte um nichts, außer dass ich behandelt werde wie jemand, der diesem Land auch genützt hat."
Im anderen Deutschland bekommt er die Selbstgerechtigkeit der Wessis anfangs schmerzhaft zu spüren. So versucht Starregisseur Rainer Werner Fassbinder, ihn mit der Hälfte des Honorars abzuspeisen, das die West-Darsteller bekommen. Der Film "Lola" wird gleichwohl zur Eintrittskarte für die zweite Karriere. Es folgen Arbeiten mit Filmgrößen wie Bernhard Wicki, Axel Corti oder Alexander Kluge - und schließlich der große Sprung nach Hollywood.
Dass er als "unangepasster Einzelgänger" gilt, gelegentlich gar als störrisch, stört Mueller-Stahl wenig. Trotz seines gütigen Lächelns und der offenen blauen Augen vermittelt er eine Aura der Einsamkeit, die auch vielen seiner Figuren anhaftet. Ob als ungarischer Emigrant in Costa-Gavras' "Music Box", als polnisch-jüdischer Großvater in "Avalon" oder als Ghetto-Arzt im Remake von "Jakob der Lügner" - immer wehren sich die Charaktere gegen eine vorschnelle Vereinnahmung.
Seit mehr als 40 Jahren ist der Schauspieler mit der Hautärztin Gabriele Scholz verheiratet ("Sie war und ist mein großes Glück"). Das Paar hat einen Sohn und eine Enkeltochter und lebt abwechselnd im einstigen kalifornischen Emigranten-Refugium Pacific Palisades und in einem Haus an der Lübecker Bucht.
Neben der Malerei ist längst auch die Musik wieder eine feste Größe geworden. Seit der gemeinsamen CD "Es gibt Tage" geht er immer wieder mit seinem alten Freund Günther Fischer und dem Akkordeonspieler Tobias Morgenstern mit selbst komponierten Liedern auf Tournee. Mit Büchern wie "Verordneter Sonntag", "Drehtage" oder "Die Jahre werden schneller" ist er auch als Autor erfolgreich.
"Ich glaube nicht, dass Erfolg oder Ruhm beim Abschiednehmen helfen", schreibt er im Abspann zu diesem Gedichtband. "Es geht doch am Ende nur darum, wie man in die Kiste steigt, und wenn es irgend geht, möchte ich fröhlich in die Kiste."
Von Nada Weigelt, dpa/sr - Bild: Florian Schuh (epa)