Die Züge um seinen Mund sind sanfter geworden, und sein Blick ist nicht mehr ganz so stechend und kühl wie damals im Erotikthriller "Der Swimmingpool" mit Romy Schneider als Geliebter. Seinen Hang zur Provokation hingegen hat Alain Delon nicht verloren. Weshalb dürften sich die Franzosen nicht der Front National (FN) annähern, wenn sie die Nase von der Politik der Linken und der Rechten voll hätten, fragte die Filmlegende kürzlich in einem Interview der Wochenzeitschrift "TV Magazine". Er selbst sei seit 50 Jahren mit Jean-Marie Le Pen, dem Gründer der rechtsextremen französischen Partei, befreundet.
Delon, der am kommenden Sonntag (8. November) seinen 80. Geburtstag feiert, kann auf über 80 Filme zurückblicken, darunter Hauptwerke wie "Rocco und seine Brüder" und "Nur die Sonne war Zeuge". Seit er nicht mehr vor der Kamera steht - in seiner letzten größeren Rolle 2010 in "Un mari de trop" (etwa: Ein Ehemann zu viel) spielte er einen Vater -, macht er wegen seiner Sympathie-Bekundungen für Frankreichs Rechtspopulisten Schlagzeilen.
"Alain Delon, cet inconnu" (Alain Delon, dieser Unbekannte) heißt der Dokumentarfilm, den Philippe Kohly nun zu seinem Geburtstag gedreht hat. In dem Porträt, für das Kohly Delon-Interviews aus 40 Jahren ausgewertet hat, versucht der Regisseur hinter die Fassade des eiskalten Engels zu blicken, den Delon 1967 in dem gleichnamigen Gangsterfilm von Jean-Pierre Melville gespielt hat.
Dabei lässt er einen Schauspieler erkennen, der als Kind unter der Scheidung seiner Eltern litt. Als er vier Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden, und Delon kam in eine Gastfamilie. Sein Pflegevater war Gefängniswärter. Nachdem er von mehreren Schulen geflogen war, ging er als Soldat in den Indochina-Krieg. Wieder zurück in Paris, hielt er sich mit dubiosen Gelegenheitsjobs über Wasser und nahm nebenher Schauspielunterricht.
"Wie viele wissen, dass ich meine Kindheit im Gefängnis verbracht habe? Zumindest im Gefängnishof von Fresnes, wo ich mit anderen Kindern von Gefängniswärtern gespielt habe", sagte er in einem Interview der Zeitschrift "TV Magazine". Der Dokumentarfilm habe ihn bewegt und viele Erinnerungen wachgerufen, gestand er. Dass Delon seine Karriere vor allem mit Rollen als Verbrecher und Leinwandmörder bestritt, mag deshalb weniger erstaunen. Einige seiner Killerstreifen wie "Der eiskalte Engel" oder "Endstation Schafott" sind zu Meisterwerken der Filmgeschichte geworden.
In Delons Leben gibt es nicht wenige Überschneidungen zwischen seinen Rollen und der Realität. Im Jahr 1968 wurde sein jugoslawischer Leibwächter, Freund und zugleich angeblicher Geliebter seiner Ex-Frau Nathalie ermordet. Sein Name war in der Boulevard-Presse in Verbindung mit dem Fall in aller Munde.
Auch mit seinen zahlreichen Affären füllte er die Blätter der Klatschpresse. Mit Romy Schneider bildete er eines der glamourösen Paare der 1960er-Jahre. Über die Trennung nur vier Jahre nach der Verlobung am Luganer See im Jahr 1959 kam die Schauspielerin nur schwer hinweg. Im Jahr 1963 verübte sie einen Suizidversuch. Wie Delon später in einem Interview der Zeitung "Le Parisien" erklärte, sei sie die große Liebe seines Lebens gewesen. Aus zwei anderen Beziehungen hat er drei Kinder.
Luchino Visconti, Jean-Pierre Melville, Jean-Luc Godard, Volker Schlöndorff: Delon hat mit den Großen seiner Branche gedreht. Womöglich wäre seine Karriere noch steiler verlaufen, wäre Delon weniger stolz gewesen, meinte Kohly im Radiosender RTL. Delon wollte sich nichts sagen lassen. Er wollte über alles entscheiden, alles kontrollieren. Er sei zu egozentrisch gewesen, gestand Delon selbst vor einigen Jahren: "Ich war zu sehr auf mich selbst konzentriert, wollte dominieren."
Gesundheitsprobleme zwangen Alain Delon in den vergangenen Jahren mehrmals zu Pausen. Auf dem Internationalen Filmfestival von Locarno wurde er 2012 für sein Lebenswerk ausgezeichnet. "Solche Preise kriegt man immer, wenn man schon mit einem Bein im Grab steht", scherzte er damals. "Aber ich verspreche, dass ich noch nicht so schnell sterbe. Schon allein, weil es noch ein paar Leute gibt, die ich noch ein wenig ärgern möchte."
Von Sabine Glaubitz, dpa - Archivbild: Christophe Karaba (epa)