"Steve Jobs" ist wie ein Theaterstück in drei Akten. Die Kernszenen spielen auf kleinem Raum. Es sind drei Schlüsselmomente in der Karriere des Apple-Mitbegründers, jeweils vor der Vorstellung eines neuen Produkts. Jedes Mal tauchen dieselben Figuren auf, die das Leben des Tech-Visionärs aufrütteln.
Kann man eine so komplexe Persönlichkeit, die die Welt so nachhaltig verändert hat, in ein simples Schema zwängen und gleichzeitig eine packende, wahre Story erzählen?
Ja und nein. "Steve Jobs" hat gar nicht den Anspruch, sein Leben nachzuerzählen. "Ich wollte kein Biopic machen", unterstrich Drehbuchautor Aaron Sorkin schon bei der Premiere beim US-Filmfestival in Telluride. Er wollte nicht Jobs' "größte Hits" wiedergeben. Mit dem Facebook-Film "The Social Network" über Mark Zuckerberg hatte der Erfolgsautor den Drehbuch-Oscar gewonnen.
Regisseur Danny Boyle versuchte es so zu erklären: Sie wollten "den Klang von Jobs' Geist, mit all seinem Wunder und Schrecken" einfangen. Der Oscar-prämierte Regisseur ("Slumdog Millionär") versteht sich auf Drama und Spannung, selbst wenn es nur einen Schauplatz gibt. In Boyles "127 Hours" ist ein Bergsteiger tagelang in einer Steinschlucht eingeklemmt. Für den Briten ist "Steve Jobs" aber wohl die bisher "größte Herausforderung" seiner Karriere.
Die Brillanz seines Hauptdarstellers macht Schwächen im Plot des Filmes wett. Der deutsch-irische Schauspieler Michael Fassbender (38, "Shame", "Hunger", "Macbeth") sieht Jobs nicht wirklich ähnlich, verwandelt sich aber völlig in eine vielschichtige Figur: aufbrausend, undiplomatisch, mitunter gemein und arrogant. Ein selbstbewusster, besessener Perfektionist, der seine Vision umsetzt.
Das hatte 2013 schon Ashton Kutcher in "Jobs" versucht. Die Ähnlichkeit, von Jobs' leicht gebeugtem Gang bis zu seinem Tonfall, war verblüffend. Doch die konventionell erzählte Story - vom langhaarigen College-Abbrecher, über die Basteljahre in der elterlichen Garage zum Aufstieg als Tech-Millionär - riss das Publikum nicht mit.
"Steve Jobs" dagegen fesselt mit einem Feuerwerk an Dialogen und lebt von der Spannung zwischen den Figuren - die Besetzung ist großartig. Sorkin hat sich bei seinem Drehbuch lose an der von Jobs autorisierten Biografie des Journalisten Walter Isaacson orientiert, der mit dem Apple-Gründer rund 40 Interviews führte. Viele andere kamen zu Wort, die Jobs auf seinem Lebensweg traf - und oft auch verletzte. Der Wälzer "Steve Jobs" war 2011, kurz nach dem Krebstod des 56-Jährigen erschienen.
Der Film greift drei wichtige Momente im Leben des Apple-Mitbegründers auf. 1984, als Jobs den ersten Macintosh vorstellt. 1988, als er nach dem Apple-Ausstieg seinen NeXT Computer präsentiert. Und 1998, als er nach seiner Rückkehr zu Apple den iMac einführt. Sorkin und Boyle treiben den Countdown zu den nervenaufreibenden Produktvorführungen mit fiktiven Begegnungen auf die Spitze.
Jedes Mal legt sich Jobs mit den Schlüsselfiguren an: Da ist sein langjähriger Freund Steve Wozniak (Seth Rogen), der die ersten Apple-Computer entwarf, die Jobs dann genial vermarktete. "Woz" will mehr Anerkennung für sich und sein Team, und wirft im Film der Jobs-Figur Worte an den Kopf, die der echte Steve Wozniak vielleicht gedacht - aber nie öffentlich geäußert hat. Oscar-Preisträgerin Kate Winslet ist großartig als Marketing-Managerin Joanna Hoffman, die sich als "Arbeitsplatz-Gattin" aufopfert. Der damalige Apple-Chef John Sculley (Jeff Daniels) und Software-Guru Andy Hertzfeld (Michael Stuhlbarg) geraten mit Jobs aneinander. Die Szenen mit seiner unehelichen Tochter Lisa, die er anfangs verleugnet, gehen ans Herz, nicht nur dem Zuschauer.
"Steve Jobs" lässt vieles aus. Zu viel, werfen einige US-Kritiker dem Film vor. Ehefrau Laurene Powell und ihre drei gemeinsamen Kinder mit Jobs fallen völlig raus, ebenso die zukunftsweisenden Erfindungen, wie iPod, iPhone und iPad. Menschlich kommt der Mann mit dem schwarzen Rollkragenpulli nicht gut weg.
Jobs konnte schwierig, unhöflich und schroff sein, sagte Tech-Kolumnist Walt Mossberg, der den Apple-Chef häufig interviewt hatte, im Technologie-Blog "The Verge". Aber er sei im Laufe der Jahre reifer und milder geworden. "Dies versteckt Mr. Sorkin vor seinen Zuschauern. Das Beste des wirklichen Steve Jobs entwickelt sich gerade erst, als 'Steve Jobs' endet", beklagte Mossberg.
In Schlüsselszenen leistet sich der Film auch grobe Fehlinterpretationen der Technik-Geschichte. Ein Beispiel für etliche: Der NeXTCube von Jobs' zweiter Firma wird im Film als nutzloses Designer-Möbelstück abgetan, bei dem Jobs nur auf die Gestaltung des schwarzen Würfel-Gehäuses geachtet habe. Die Rede ist aber von einem Rechner mit einem wegweisenden Betriebssystem, auf dem der Wissenschaftler Tim Berners-Lee den ersten maßgeblichen Entwurf des World Wide Web entwickelt hat.
Das Biopic, das keins sein will, ist trotz der groben sachlichen Schnitzer spannendes, gut gemachtes Kino. Und es ist bestimmt nicht der letzte Film über Steve Jobs.
Von Barbara Munker, dpa - Archivbild: John G. Mabanglo (epa)