Mit einem ungewöhnlich inszenierten Inzestdrama hat die französische Regisseurin Valérie Donzelli Anspruch auf einen der Hauptpreise beim Filmfestival Cannes angemeldet. Lose basierend auf wahren Begebenheiten erzählt Donzelli in "Marguerite et Julien" die Geschichte der Geschwister Marguerite und Julien de Ravalet. 1603 wurden sie wegen Ehebruchs und Inzest in Paris zum Tod verurteilt.
Die Französin Donzelli ergreift überraschend klar Partei für die Geschwister, die sich schon als Kinder lieben. Die Eltern, der Onkel, sie alle sind gegen diese verbotene Liebe und werden im Film damit zur Bedrohung für die Liebe zwischen Julien und der etwas jüngeren Marguerite.
Was den Film aber vor allem aus den anderen, bisherigen Cannes-Beiträgen herausstechen lässt, ist Donzellis Erzählform. Ihr Werk ist in Teilen zwar als historischer Kostümfilm inszeniert, enthält aber auch moderne Elemente - und wirkt zugleich sehr zeitlos. Der Regisseurin gelingt so ein universalgültiges Plädoyer für die Liebe, egal gegen welche gesellschaftlichen und moralischen Konventionen.
Das Thema soll schon Regielegende François Truffaut interessiert haben. Ihm lag dazu wohl einst ein Drehbuch vor, das er aber in den 1970er Jahren verwarf. Nun ließ sich die Französin Donzelli von eben diesem Script inspirieren, schrieb es neu und verfilmte es. In einer kleinen Nebenrolle ist Geraldine Chaplin zu sehen. Donzelli ist eine von zwei Frauen, die im diesjährigen Cannes-Wettbewerb ihre Werke zeigen.
Auch der kanadische Regisseur Denis Villeneuve schickte am Dienstag seinen Beitrag ins Palmen-Rennen. "Sicario" ist ein düsterer Thriller um den ausweglosen Kampf gegen mächtige Drogenkartelle. Emily Blunt spielt eine junge US-Agentin, die mit dem CIA in Mexiko an einen Drogenboss gelangen will. Doch schon bald merkt sie, dass die Grenzen zwischen Böse und Gut verschwimmen - keine wirklich neue Erkenntnis dieses auch ansonsten eher konventionell gefilmten Werks.
Die Goldene Palme wird am 24. Mai vergeben. 19 Filme konkurrieren um den begehrten Hauptpreis des Festivals von Cannes.
Von Aliki Nassoufis, dpa - Bild: Bertrand Langlois/AFP