Er hat der Münchner Schickeria den Spiegel vorgehalten, sich über die gefälschten Hitler-Tagebücher lustig gemacht und über das "Suchen und Finden der Liebe" sinniert. "Die einen kriegen Kinder, die anderen machen Filme. Jeder wehrt sich auf seine Weise gegen den Tod, so gut es geht", sagte Helmut Dietl, einer der bedeutendsten deutschen Regisseure, einmal in einem Interview. Im Alter von 70 Jahren ist er nun gestorben - im Kreise seiner Familie in seiner Münchner Wohnung.
Im November 2013 hatte er seine schwere Krebserkrankung in der Wochenzeitung "Die Zeit" öffentlich gemacht. Erst einen Monat zuvor hatte er selbst die erschütternde Diagnose erhalten: Lungenkrebs mit Heilungschancen von höchstens zehn Prozent - "eher drunter". Überrascht war er von der Krankheit nicht, wie er sagte. "Wenn man bedenkt, wie viel ich geraucht habe, dann ist es geradezu ein Wunder, dass es so lange gut gegangen ist." Sechs Jahre zuvor hatte er mit dem Rauchen aufgehört und bis dahin nach eigener Berechnung ungefähr eine Million Gitanes geraucht.
Während seiner Krebsbehandlung habe er sich dem Tod nah gefühlt, sagte Dietl der "Süddeutschen Zeitung". "Es war hart." Und es sei ihm schlecht gegangen. "Aber wirklich schlecht - so dass ich zeitweise das Gefühl hatte, jetzt kratz' ich ab - ging es mir erst, als ich Ende März entlassen wurde."
Dietl war einer der bedeutendsten Regisseure Deutschlands und wurde in den 80er Jahren berühmt mit den Serien "Monaco Franze" und "Kir Royal". Dietls letzter, mit Spannung erwarteter Film "Zettl", die Fortsetzung seiner Kultserie "Kir Royal", floppte 2012 zwar grandios, früher aber, zur Zeit seiner ganz großen Erfolge, wurde der Regisseur von Filmkritikern als deutsche Antwort auf Woody Allen gefeiert.
Er ist der geistige Vater von Kultfilmen wie "Schtonk" (1992) und "Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief" (1997). Ebenso wie Woody Allen deckte der im oberbayerischen Wiessee geborene Dietl mit Vorliebe und Ironie menschliche Schwächen auf und beleuchtete gesellschaftliche Kuriositäten.
Zu "Kir Royal" (1986), einer sechsteiligen ARD-Gesellschaftssatire, sei Dietl von Papst Benedikt XVI. inspiriert worden, sagte der WDR-Redakteur Jörn Klamroth Jahre später. Im Jahr 1984 hätten Dietl und er in einem Café ein Foto betrachtet, auf dem der damalige Kardinal Joseph Ratzinger, Franz- Josef Strauß und ein in München bekannter Gauner abgebildet waren. "Wir beschlossen daher: Das ist Stoff für eine neue Gesellschaftssatire", erinnerte sich Klamroth einmal.
Doch es waren nicht nur die anderen, die Dietl in seinen Filmen beschäftigten. Im Jahr 2005 kam mit "Vom Suchen und Finden der Liebe", einer modernen Adaption des Orpheus und Eurydike-Stoffes, eine sehr persönliche Komödie in die Kinos. Das Drehbuch dazu schrieb "Das Parfum"-Autor Patrick Süskind, der eng mit Dietl befreundet war.
Dietl selbst war viermal verheiratet und hatte drei Kinder mit verschiedenen Frauen. "Man darf nicht den Glauben an die große Liebe verlieren, selbst wenn die Erfahrung das Gegenteil lehrt", sagte der Regisseur, der zehn Jahre an der Seite von "Superweib" Veronica Ferres verbrachte, einmal. "Oder man kann sich gleich hinsetzen und auf den Tod warten."
Dietl kam nach seinem Abitur an einem Schwabinger Gymnasium, einem abgebrochenen Studium der Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte und einem Abstecher in die Münchner Kammerspiele zu Film und Fernsehen. 1973 debütierte er mit den inzwischen legendären "Münchner Geschichten" im Vorabendprogramm. 1979 kam sein Film "Der Durchdreher" in die Kinos und wurde mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet.
Beflügelt von diesem Erfolg versuchte Dietl Anfang der 80er Jahre sein Glück in Hollywood. Er kam aber schnell wieder zurück und wurde in Deutschland zu einem der erfolgreichsten und populärsten Film- und Fernsehmacher. Zuletzt arbeitete Dietl an einem Film mit dem österreichischen Humoristen Josef Hader. Das Drehbuch thematisiert auch den Schlaganfall, den Dietl im Jahr 2007 erlitt.
Im November vergangenen Jahres - ein Jahr, nachdem er seine schwere Erkrankung öffentlich gemacht hatte - nahm Dietl in einem sehr emotionalen Moment den Bambi für sein Lebenswerk entgegen. Er habe die 960.000 Zigaretten, die er in seinem Leben geraucht habe, überlebt - und könne nun den Lebenswerk-Preis in Empfang nehmen, sagte er und fügte damals hinzu: "Wenn Sie in zehn Jahren wieder einen Lebenspreis zu vergeben haben - ich bin bereit."
Von Peter Claus, dpa