Alan Turing hätte schon zu Lebzeiten eine Art Star sein müssen. Er war ein Pionier der Computertheorie, ein Mathegenie und ein Held des Zweiten Weltkriegs, der als Codeknacker einen wichtigen Beitrag zum Sieg über Nazideutschland leistete. Trotzdem kannte selbst in seiner Heimat Großbritannien lange kaum jemand seinen Namen. Als verurteilter Krimineller starb er kurz vor seinem 42. Geburtstag. Mit "The Imitation Game" macht Hollywood Turings Schicksal jetzt weltweit berühmt - bis dahin war es ein weiter Weg.
Als Schüler entspricht Turing, Geburtsjahr 1912, dem Klischee eines Nerds: Ein Einzelgänger, der sich nur für Wissenschaft interessiert. Der frühe Tod seiner Jugendliebe Christopher Morcom stürzt ihn in eine tiefe Krise.
An der Universität Cambridge beschäftigt der gebürtige Londoner sich mit Quantenmechanik, Logik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Er liebt rudern, laufen und segeln, wie sein Biograf Andrew Hodges schreibt. Mit dem Konzept der "Universellen Maschine" oder Turingmaschine zur Lösung mathematischer Probleme leistet er 1936, mit nur 24 Jahren, Grundlagenarbeit auf dem Gebiet der Informatik und Künstlichen Intelligenz.
Im Zweiten Weltkrieg kann Turing seine Begabung praktisch nutzen: Er hilft dem britischen Geheimdienst, den "Enigma"-Code der Wehrmacht zu knacken. Mit Hilfe seiner "Turing-Bombe" können die Briten deutsche Funksprüche mitlesen - wie viele Leben Turing damit rettet, ist kaum abzuschätzen. Nach Kriegsende muss er seine Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst aber beenden. Homosexuelle sind nicht mehr zugelassen.
Der Mathematiker zieht nach Manchester. 1952 erfährt die Polizei von seiner Beziehung mit einem jungen Mann. Um dem Gefängnis zu entgehen, lässt Turing sich darauf ein, seinen Sexualtrieb mit Medikamenten zu hemmen. Zwei Jahre später stirbt er an einer Zyanidvergiftung. Dass es Suizid ist, wie die Gerichtsmedizin entscheidet, will seine Mutter nicht glauben - einige vermuten auch heute, dass es ein Unfall war.
13 Jahre später wird Homosexualität in England und Wales teilweise dekriminalisiert. Seit 1966 gibt es den Turing-Award für Informatik, in den 1980ern erzählen ein Theaterstück und ein BBC-Film von der "Enigma"-Entschlüsselung, die bis in die 1970er Jahre hinein streng geheim gehalten worden ist. 1999 rechnet das "Time"-Magazin Turing zu den 100 wichtigsten Menschen des 20. Jahrhunderts.
Im "Turing-Jahr" 2012, 100 Jahre nach seiner Geburt, würdigen Vorträge und Gedenkveranstaltungen rund um den Globus die Leistungen des Briten - der juristisch gesehen immer noch ein verurteilter Krimineller ist. Erst Ende 2013 begnadigt die Queen ihn posthum. Der britische Justizminister Chris Grayling sagt zu der Entscheidung: "Eine Begnadigung der Königin ist eine gebührende Anerkennung für einen außergewöhnlichen Mann."
Von Teresa Dapp, dpa - Bild: Bonhams/Handout (afp)